Die Uerdinger Rheinbrücke
Welche prominente Krefelderin spielte in einem Schimanski-Tatort eine hintergründige Rolle? Welche wechselte ins ernsthafte Fach und bildete eine Kulisse für die Verfilmung von Ulla Hahns Teufelsbraten? Ganz einfach: die Rheinbrücke zwischen Uerdingen und Mündelheim. Wie viele ältere Damen hat die Rheinbrücke eine Geschichte, die nicht frei von Peinlichkeiten ist.
Bevor es diese Rheinquerung gab, waren die nächstliegenden Brücken von Krefeld aus die nach Düsseldorf im Süden oder die nach Duisburg im Norden. Dazwischen wurden Fähren eingesetzt. Deswegen gab es schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts Forderungen nach einer Rheinbrücke, die die Verbindung zwischen der Stadt Krefeld und dem niederrheinischen Hinterland mit dem Ruhrgebiet herstellen sollte. Das war eine wichtige Infrastrukturmaßnahme, von der sich nicht nur die Industrie- und Handelskammer einen wirtschaftlichen Aufschwung versprach. 1933 lagen die fertigen Pläne bereits einige Zeit in der Schublade – es mangelte an Geld. Das Prestige-Projekt wurde von den Nationalsozialisten schon deswegen gefördert, weil die Brücke mit einer kürzeren Verbindung zwischen dem Ruhrgebiet und der Westgrenze einen militärischen Nutzen hatte. Die Bauarbeiten begannen 1933. Es wurde bewusst wenig Technik eingesetzt, um Material zu bewegen. Der Stadtverwaltung ging es darum, möglichst viele Arbeitslose zu beschäftigen. Menschen im »Arbeitseinsatz« waren billiger als Maschinen. Die Arbeitsbedingungen waren so hart, dass es der illegalen KPD noch 1934 gelang, einen Streik zu organisieren – auch wenn die Reklame das Leben der Bauarbeiter etwas anders sah. Unterdessen bemühte sich die Stadtverwaltung um die Erlaubnis, die Brücke nach Adolf Hitler benennen zu dürfen. Sie wurde erteilt, jedoch wurde zur Eröffnung im Juni 1936 nur der Stellvertreter des Führers Rudolf Hess geschickt. Er zerschnitt das symbolische Band nicht mit einer Schere, sondern mit einem Dolch. 1938 rollten zum ersten Mal gepanzerte Spähwagen einer Aufklärungsabteilung über die Brücke in Richtung der neuen Kaserne in Krefeld. Der Oberbürgermeister überkugelt sich in einem persönlichen Telegramm an Adolf Hitler vor lauter Freude. Das Militär hatte in Krefeld einen Standortvorteil bei dem 1940 erfolgenden Überfall auf die neutralen Niederlande.
Die Brücke tat ihren Dienst, bis es 1945 eng wurde für das Bauwerk. Die Amerikaner machten im Februar/März 1945 große Anstrengungen, eine der wenigen noch intakten Rheinbrücken zu erreichen. Es gab einen Wettlauf zwischen den Deutschen, die den Niederrhein räumten und den Amerikanern. Das Rennen wurde am 3./4. März 1945 dadurch entschieden, dass ein deutsches Pionierausbildungsbataillon einen mit Munition gefüllten LKW in die Mitte der Brücke stellte und mitsamt Brücke in die Luft jagte. Teile der Konstruktion stürzten in den Fluss und stoppten die Rheinschiffe. Schon deswegen bemühten sich die Alliierten und die neuen deutschen Behörden um einen baldigen Wiederaufbau. Es dauerte allerdings bis 1950. Die gelegentlich etwas aufgefrischte Brücke erfüllt bis heute ihren Zweck, auch wenn sie die derzeitigen Verkehrsströme kaum noch verkraftet. Zu einem Abriss des Denkmals und dem Neubau eines modernen Ersatzes konnte man sich bislang nicht durchringen. Immerhin weiß man beim Anblick dieser Brücke mit ihren beiden 40 Meter hohen Pylonen, dass man gerade an Krefeld vorbeifährt. Und auf Briefköpfen und dergleichen wird sie als eines der städtischen Wahrzeichen eingesetzt. Die Brücke ist ein sehr beliebtes Fotomotiv. Seit Ende 2004 wird sie zudem dank einer Jubiläumsspende der Städtischen Werke Krefeld des Nachts beleuchtet und ist ein stimmungsvoller Hingucker im Rheinpanorama. Der nüchterne offizielle Name Krefeld-Uerdinger Brücke mag dazu nicht richtig passen, aber damit ist man wenigstens auf der sicheren Seite.
Ingrid Schupetta
Weitere Information:
Die Krefeld-Uerdinger Brücke