Krefeld und Thalia I (1786 bis 1900)

Ein Komödiant gehörte dem Triumvirat an, das in der Seidenstadt revolutionär-französische Regierungssaiten aufzog, und das zeigte sich in Gestalt einer Maske, die nebst einem Kamm (für den Frisör) und einem Posthorn (für den Postmeister) den heiligen Dionysius aus dem Stadtwappen verdrängte. Die erste Theateraufführung in der Stadt wurde jedoch schon 16 Jahre davor gemeldet, und 1786 kümmerte sich der Baumeister Michael Leydel – der auch das Rathaus am Schwanenmarkt errichtet hatte – um den Ausbau des ersten Krefelder Theatersaals in einem Gebäude an der Lutherischen-Kirch-Straße, Nähe Gartenstraße.

Das alte Stadttheater um 1930. Foto: Stadtarchiv Krefeld, Fotobestand, Objekt-Nr. 2158
Das alte Stadttheater um 1930. Foto: Stadtarchiv Krefeld, Fotobestand, Objekt-Nr. 2158

Die Auftritte des Schauspieler-Ensembles um die Theaterdirektorin Margarete Böhm von 1794 bis 1807 gingen in die Annalen ein und begründeten die hiesige Theatertradition. 1799 wurde Mozarts Oper »Die Zauberflöte« während eines einwöchigen Gastspiels dreimal gegeben, Dramen von Schiller und Shakespeare, Iffland und Kotzebue standen auf dem Spielplänen jener Jahre. Bis zur Hälfte des 19. Jahrhunderts mühten sich angesehene Theaterintendanten, -regisseure und -schauspieler vergeblich um das Krefelder Publikum.

Am Theatersaal lag es nicht: Der Weinwirt Michael Rump hatte an der Rheinstraße, wo das Stadttheater bis zum Bombenangriff 1943 stand, ein Haus für Bälle, Konzerte und Bühnenspiele eröffnet. Am Elan lag es noch weniger: Der Schriftsteller und Theaterintendant Karl Immermann führte 1836 in weniger als einer Spielzeit 35 klassische Dramen auf und präsentierte nicht weniger als 20 berühmte Opern. Die Resonanz in der Bürgerschaft blieb aus, die Besucherränge blieben leer. Desillusioniert wandte Immermann der Stadt den Rücken zu und starb 1840. Die desolate Situation veranlasste einen Chronisten noch im Jahr 1846 zu der Feststellung: »Eine Monographie des Theaters muss den Krefeldern die Schamröte ins Gesicht treiben.« Der Theaterbesitzer hatte das Nachsehen und starb 1852. Das »Hôtel de la Redoute« wechselte rasch hintereinander mehrfach den Besitzer und drohte zu verfallen. Erst ab 1860 rissen glücklichere Direktoren das Ruder herum, und das Ansehen des Krefelder Schauspiels wuchs. Finanziell war es jedoch nur mit Finanzspritzen der Stadt zu halten.

Nach einem verheerenden Brand im Wiener Burgtheater wurden die Sicherheitsvorschrifen auch hierzulande verschärft. Das Krefelder Theater blieb ab 1881 für fünf Jahre geschlossen, um es den neuen bautechnischen Erfordernissen anzupassen. Einstweilen gingen Theateraufführungen im Saal Nebeck auf dem Ostwall, in der Ölmühle, Stadthalle und im Tiergarten über die Bühne. Carl Maria von Webers Oper »Der Freischütz« eröffnete das renovierte Theater im Jahr 1886. Um die Qualität der Darbietungen zu sichern, gegen den Vormarsch »der Aftermuse, der lüsternen Operette und der abgeschmackten Posse«, bewilligten die Stadtverordneten am 10. Februar 1887 einen jährlichen Zuschuss zum Theateretat. Und unter der folgenden Ägide von Anton Otto gelangte das hiesige Theater deutschlandweit zu Ansehen.

Irmgard Bernrieder

Weitere Informationen:
Mit der Krefelder Theatergeschichte zwischen 1884 und 1944 befasst sich die Historikerin Britta Marzi in ihrer Dissertation. Die gebürtige Krefelderin stellt Ergebnisse ihrer Forschungen zum »Theater in der Provinz« vor. »Die Heimat«, Krefelder Jahrbuch, Band 83, 2012, Seite 49 ff.