Krefeld und Thalia II (1920 bis 1963)
In der Zwischenkriegszeit gastierten hier prominente Mimen mit heute noch klingenden Namen wie Asta Nielsen, Fritz Kortner und Alexander Moissi, Max Pallenberg und Paul Wegener. Aber auch das Krefelder Theaterensemble unter den Intendanten Otto Maurenbrecher und Ernst Martin leistete Beachtliches. Ab 1921 begann die Theatersaison im September und endete Mitte Juli. In der Saison 1924/25 etwa vermerken die Annalen 152 Sprechtheater-Aufführungen. Die Zahl wurde noch übertroffen vom Musiktheater, das in der Stadt immer beliebter wurde.
Stücke der deutsche Klassik und ein Repertoire an Shakespeare-Dramen beherrschten die Spielpläne, aber auch mit Aufführungen zeitgenössischer Dramen machte sich das Theater einen Namen. Theatergemeinschaften des deutschen Bühnenvolksbunds (konservativ-christlich orientiert) und Freie Volksbühne (links-liberal orientiert) traten in der Stadt auf. Inszenierungsbesprechungen in der örtlichen Presse gerieten zum ideologischen Schlagabtausch.
Diese Wortscharmützel hatten mit Kriegsbeginn 1939 ein Ende. In der Bombennacht des 22. Juni 1943 wurde das Theaterhaus ausgelöscht wie Dreiviertel der innerstädtischen Gebäude. Das bühnenlose Ensemble machte sich auf und gastierte über ein halbes Jahr in Schlesien. Nach Kriegsende gab das zurückgekehrte Ensemble im Kaiser Wilhelm Museum – dem einzigen geeigneten und verschont gebliebenen Gebäude – einen Eröffnungsabend. Nach Versuchen, u.a. in Burg Linn, bezog die Theaterkompanie mit Intendant Gerhard Toedte an der Spitze die Aula des Ricarda-Huch-Gymnasiums, in der eine gemeinschaftlich errichtete Behelfsbühne zur Verfügung stand. Auf Klappstühlen erlebte das Publikum am 9. Oktober 1945 den Saisonauftakt mit zwei Einaktern von Johann Wolfgang von Goethe (»Die Geschwister«, »Die Laune des Verliebten«). Der Spielbetrieb wurde allerdings dadurch beeinträchtigt, dass dort an drei Abenden wöchentlich Varieté für britische Militärs angeboten wurde. Stadtkommandant Powell wollte diesen spannungsreichen Zustand beenden und plante auf dem später in Theaterplatz umbenannten Parkhofplatz ein Garnisonstheater. Dies kam den Wünschen der Stadtverordneten entgegen, welche den Neubau nach einem Entwurf des Architekten Eugen Bertrand in Verantwortung der zuständigen städtischen Ämtern vorantrieben. Kurz nach Grundsteinlegung wurde Powell versetzt, sein Nachfolger Morrison aber sah vordringlich den Neubau von Wohnungen und stellte den Bau ein. Der Spielbetrieb wurde jedoch erweitert, fand man doch ab 30. September 1949 in dem Uerdinger Lichtspielhaus »Schauburg« eine zweite Spielstätte.
Der allgemeine erste Heißhunger nach Kultur nach zwölf Jahren nationalsozialistischer Diktatur ging nach der Währungsreform in scharfe, von den politischen Parteien geführte, Diskussionen über, die angesichts geringer finanzieller Mittel nach der gesellschaftlichen Bedeutung des Theaters im Vergleich zu Museumsarbeit und Wohnungsbau fragten.
Am 19. April 1950 unterzeichneten die Räte der Städte Krefeld und Mönchengladbach einen Theatervertrag, der die eigenständigen Bühnen der Städte zu den »Vereinigten Städtischen Bühnen Krefeld und Mönchengladbach« (VSB Krefeld-Mönchengladbach) zusammen führte. Unter dem Intendanten Erich Schumacher beschloss der Rat am 15. Februar 1951 den stillgelegten Theaterbau nach Plänen von Bertram fortzuführen. Der Etat betrug 1,5 Millionen Mark. Der Zuschauerraum sollte 800 Plätze bieten, die Bühnenbreite war mit 16 Metern die größte bundesweit. Das Vorhaben zog sich von Juli 1951 bis in den Herbst 1952 hinein. Eröffnet wurde das Theaterhaus schließlich am 7. Oktober 1952 mit der Wagner-Oper »Lohengrin«.
Bevor das Theater – das nun auch dem Platz seinen Namen gab – vollendet war, sollten noch einmal elf Jahre vergehen. Professor Gerhard Graubner und der Krefelder Architekt Paul Kesseler verpassten dem Haus sein bis heute wirkendes unverwechselbares ästhetisches Gepräge. Am 12. Januar 1963 eröffnet die Mozart-Oper »Don Giovanni« eine neue Ära.
Irmgard Bernrieder
Weitere Informationen:
Friederike Bernau: »Haben die was miteinander zu tun? 50 Jahre Theaterehe Krefeld/Mönchengladbach«. In: »Die Heimat«, Krefelder Jahrbuch, Band 71, 2000, Seite 13 ff