Textile Flächenkunstschule 1932 bis 1938
Krefelder Seidenindustrielle waren in den 1920er Jahren auf der Höhe der Zeit, was den Umgang mit moderner Kunst und zeitgenössischer Architektur anging. Sie hatten seit langem erkannt, dass hochwertige Erzeugnisse, wie sie für den eigenen Markt wie auch für den Export gebraucht wurden, geschmacklich besonders ausgebildete Kräfte für die schöpferische Gestaltung der industriellen Produkte forderte. So ist erklärlich, dass auf ihre Initiative an der Preußischen Höheren Fachschule für Textil-Industrie Krefeld eine Abteilung Textile Flächenkunst geschaffen und der bis 1923 am Bauhaus lehrende Schweizer Johannes Itten als Leiter berufen wurde. Parallel gab es in Krefeld bereits die Webeschule, Färbereischule, Gewebesammlung, Textilforschungsanstalt und das Institut für Betriebsorganisation der Samt- und Seidenindustrie.
Am 1. Januar 1932 kam die Textile Flächenkunstschule hinzu. Dahinter stand der Bedarf an überdurchschnittlichen künstlerischen Entwürfen, um mit den Krefelder Seiden und Samten auf dem internationalen Markt – vor allem mit der französischen Konkurrenz – mithalten zu können; dahinter stand, im Verbund mit dem Staat und der Stadt Krefeld, die Krefelder Seidenindustrie. Die Schulgründung sollte nicht nur der eigenen Produktion und deren Export nützen, sondern sich auch auf die gesamte deutsche Textilindustrie auswirken. Obwohl Ittens Arbeit in Krefeld die größte Anerkennung von der Industrie bekommen hatte, kündigte ihm die Behörde auf Veranlassung der NSDAP 1938 und die Schule für TEXTILE FLÄCHENKUNST wurde geschlossen und das Lehrkollegium entlassen.
Höhere Fachschule für Textilindustrie 1938 bis 1945 – Künstlerlehrer und Meisterklasse
Nach dem Ende der Flächenkunstschule wurde die Abteilung Web- und Druckgestaltung (Leitung Ludwig Becker) gegründet. Becker lehrte Malerei, Zeichnen und Entwerfen. Für die Druckgestaltung wurden Franz Fernand, für die Webgestaltung Gerhard Kadow als Lehrer verpflichtet. Kadow, der am Bauhaus in Dessau ein Schüler von Kandinsky und Klee gewesen war und an der Bauhausweberei seine Ausbildung erhalten hatte, setzte auf seine Weise die Bauhaustradition fort. Neu aufgebaut wurde von Alexander Mitscherlich, ehemaliger Unterrichtsassistent von Itten, die Abteilung Mode, zunächst Modegraphik.
Zusätzlich wurde 1939 eine Sonderklasse für Künstlerischen Entwurf die »Meisterklasse für Textilkunst« eingerichtet. Ihr Leiter wurde Georg Muche, der am Bauhaus in Weimar die Webklasse aufgebaut und künstlerisch geleitet hatte. Die Meisterklasse war der Fachschule für Textilindustrie nicht eingegliedert, sondern nur verwaltungsmäßig unterstellt. Muche forderte die ausschließliche Verantwortung für die pädagogische Durchführung und den Ausbau des Lehrplans. Ein direkter, unmittelbarer Einfluss des künstlerischen Beirats des Kuratoriums auf Lehrkräfte und Schüler sollte ausgeschlossen sein.
»Im Rahmen der Textilingenieurschule übermittelt die Abteilung für Web- und Druckgestaltung die Ausbildung in den Techniken des Webens und Druckens und die Vorbereitung im Entwerfen von Textilmustern bis zur industriellen Verwendbarkeit. Die Meisterklasse (…) hat die Aufgabe, dieser Abteilung die notwendige künstlerische Breite und Tiefe zu geben und unter bewusster Ausschaltung der Einschränkungen, die durch die Bedingung modischer Produktion bestimmt werden. Entfesselung der gestaltenden Phantasie ist die einzige Aufgabe der Meisterklasse. Es werden nur Begabte aufgenommen, welche im Wesen und Charakter Eigenwilligkeit und Begeisterung und Liebe für ihre Sache erkennen lassen. Für die Zusammenarbeit mit der Industrie wurde ein Studio eingerichtet, in das die Begabten nach Abschluss ihrer Studien aufgenommen werden. Hier, in enger Verbindung mit der Praxis, wird die Kunst zur Mode.« (aus: Georg Muche, Eröffnungsrede zu einer Ausstellung in Krefeld um 1945/46, Manuskript im Bauhaus Archiv, Berlin)
Die Verpflichtung einiger der Lehrenden zum Kriegsdienst brachte erhebliche Veränderungen in den künstlerischen Klassen. 1940 übernahm Muches Meisterschülerin Elisabeth Kadow die Klasse für Modegrafik und die selbständige Leitung der Druckklasse. Zusätzlich kam als Lehrer für Textilentwurf im Rahmen der Web- und Druckgestaltung Max Peiffer Watenphul hinzu.
Textilingenieurschule 1945 bis 1971 – Die künstlerischen Klassen
Die Schule, im März 1945 nach dem Einmarsch der Amerikaner geschlossen, wurde im April 1946 unter dem neuen Namen »Textilingenieurschule« wieder eröffnet. Sie ist, entsprechend den Unterrichtsgebieten in einzelne Abteilungen mit jeweils einem Abteilungsleiter gegliedert. Die »Textilkünstlerische Abteilung« behält eine gewisse Eigenständigkeit. Sie gliedert sich folgendermaßen:
- Klasse Druckgestaltung
- Klasse für Webgestaltung
- Meisterklasse für Textilkunst
- Modeklasse I (Weißnähen und Entwerfen, handwerklich anerkannte Ausbildung für Lehrlinge)
- Modeklasse II (Modeschneidern und Entwerfen, handwerklich anerkannte Ausbildung für Gesellinnen)
- Modeklasse III (Modezeichnen)
Diese Klassen vertreten einerseits die Richtung Textilentwurf, anderseits die Richtung Mode. Die Meisterklasse baut auf den Klassen Webgestaltung und Druckgestaltung auf. Das schöpferische Beispiel und Vorbild gab Muche als Maler. Vorbilder besonders für die Druckgestaltung waren nämlich die Innovationen der modernen Kunst. Professor Barbara Schu übernahm von Gerhard Kadow 1950 die Leitung der Klasse für Gewebegestaltung. Die Modeklasse I betreuten Sofie Strick (1945 bis 1965) und Charlotte Wenzel (1954 bis 1971), die Modeklasse II Cat Hussong (1947 bis 1967) und von Margret Dresener (1967 bis 1971) und die Modeklasse III Cat Hussong (1947 bis 1951), Immike Mitscherlich (1951 bis 1965), Wolfgang Schulze (1946 bis -1952) und Ursula Dietzel (1952 bis 1971). Den Unterricht für Gestaltungslehre gab Detlef Rüscher (1961 bis 1971), für Textilgestaltung Helmut Hahn (1970 bis 1971).
Meisterklasse Elisabeth Kadow
Die Industrie, die an der Schule immer ein starkes Mitspracherecht gehabt hatte, drängte im Laufe der Jahrzehnte immer darauf, dass die künstlerische Intensität dieser Ausbildung gestärkt wurde. Auch unter der Leitung von Elisabeth Kadow ist die Beziehung zum Bauhaus lebendig geblieben. Nach dem Studienbeginn am Bauhaus, mit Muche und Gunta Stölzl als Lehrern im Weben wurde sie später Muches Meisterschülerin in Krefeld und 1958 seine Nachfolgerin als Leiterin der Meisterklasse. Ihr wiederum folgten als Leiterin der Klasse für Druckgestaltung Bert Evers und ab 1962 ihre und Muches Schülerin Annette Pöllmann.
Die Nähe zur Industrie, die nicht nur topografisch zu sehen ist, bringt den unmittelbaren Kontakt zur Produktion mit sich, der für Lehrende und auch Schüler eine ständige Selbstkontrolle bedeutet. Die Aufforderung zur Mitarbeit an Industrie-Kollektionen hält die notwendige Fühlungnahme mit der Praxis wach und stellt interessante Aufgaben. Sie bestehen in der Mitarbeit an Kollektionen von Druck- und Frotteestoffen, von Entwürfen für dekorative Gewebe, Teppiche und Tapeten.Die Industrie schätzt die Studienarbeiten und kauft immer wieder Entwürfe, mit Experimenten und neuen Einfällen, aus den Mappen der Schüler, um der Routine ihrer eigenen Ateliers zu entrinnen.
Hochschule Niederrhein – Fachbereich Textil- und Bekleidungstechnik und Fachbereich Design
1971 wurde die ehemalige Textilingenieurschule geschlossen und ihre Klassen und Lehrer wurden verschiedenen Fachbereichen zugeordent. Der technische Bereich wurde aufgeteilt in die Fachbereiche Textil- und Bekleidungstechnik in Mönchengladbach sowie Chemie und Maschinenbau in Krefeld. Prof. Helmut Hahn wurde 1976 der Aufbau des Studienschwerpunktes Textildesign im Fachbereich Design in Krefeld übertragen.
Angelika Rösner
Literatur:
Angelika Rösner in: Textilkultur in Krefeld, Hsrg. Von Kunst und Krefeld e.V., Krefeld, 2007, Seite 187 bis 249.