Handwerk und Bildung

Kunstgewerbeschule an der Petersstraße in den 30ern, Vorläufer der späteren Werkkunstschule. Foto: Stadtarchiv Krefeld, Fotobestand, Objekt-Nr. 14514
Kunstgewerbeschule an der Petersstraße in den 30ern, Vorläufer der späteren Werkkunstschule. Foto: Stadtarchiv Krefeld, Fotobestand, Objekt-Nr. 14514

Der Stab wurde von Generation zu Generation weitergereicht, und so bekam die Ausstellung zum 100. Geburtstag der ehrwürdigen Werkkunstschule den sinnfälligen Namen »Staffellauf«. Seither sind erneut zehn Jahre ins Land gegangen, und andere hoffnungsvolle junge Gestalter aus der Talentschmiede am Niederrhein stehen in den Startlöchern.

»Woher?«, »Wohin?« fragt Rolf Sachsse im Katalog zu jener Ausstellung, und Prof. Dr. Roswitha Hirner antwortet in ihrer »Chronik« so profund wie zugewandt auf seine erste Frage. Seine zweite Frage zielt auf die Kontinuität von ästhetischen Werten im dauernden Wandel des »lifestyle«, auf aktuelle Ausprägungen jenes Gestaltungsdrangs, der Menschen schon immer beflügelte, und problematisiert die gewandelten Erfordernisse, unsere Umwelt zu formen. Menschen prägten diese Ausbildungsstätte und machten sie durch ihre überzeugenden künstlerischen Handschriften attraktiv für die Nachwachsenden.

Vertreter der Krefelder Mittel- und Oberschicht pflanzten in den 1860er Jahren ihren »Baum«, den Handwerker- und Bildungsverein, und deshalb spiegelt die Mitgliederstruktur dieser Vereinigung die Krefelder Gesellschaft wider. Der Baum trug Früchte, dessen eine 1897 das Kaiser Wilhelm Museum, dessen andere sieben Jahren später die »Handwerker- und Kunstgewerbeschule zu Crefeld« war.

Der neue »Stil der Jugend« gehörte damals zu den einflussreichen Kunstströmungen und prägte auch den ästhetischen Kanon der jungen Schule. Das Gros der Lehrerschaft mit bis heute klingenden Namen wie Biebricher, Boysen, Harder, Jahn, Mörl, Svensson und Wolbrand fühlte sich kulturreformerischen Ideen verpflichtet und begründete den Deutschen Werkbund mit. Ganzheitlich sollten gleichermaßen ästhetische wie funktionale und ökologisch-ökonomische Prinzipien den Alltag durchdringen. Gewerbe, Industrie und Kunst Hand in Hand. Diesem Grundsatz widmete man 1911 die erste Ausstellung aller Fachklassen im Kaiser Wilhelm Museum und 1914 beteiligten sie sich an der ersten Werkbund-Ausstellung in Köln. Der erste Weltkrieg griff massiv in den Schulbetrieb ein, der nur notdürftig aufrecht zu erhalten war. Der gute Ruf rettete die Institution jedoch über den Krieg hinweg, und 1922 bewarben sich die ersten ausländischen Studenten um Aufnahme.

Dieser positiven Entwicklung setzte der politische Machtwechsel 1933 ein abruptes Ende, denn moderne internationale Trends hatten im rückwärts gewandten erzkonservativen Denkschema der Nationalsozialisten keinen Platz. Weil »Handwerkern für bau- und kunsthandwerkliche Berufe« die Zukunft im Tausendjährigen Reich gehörte, wurden die Fächer Architektur, Bildhauerei und Keramik kurzerhand gestrichen. Fünf der sieben Künstler, die als Lehrer wirkten, verloren ihre Arbeit. Eindeutig umriss die spätere Bezeichnung »Meisterschule des deutschen Handwerks, staatlich unterstützte Fachschule für Tischlerei, Malen, Grafik, Flächenkunst und Metall« das Tätigkeitsfeld der Schule.

Im Kriegsgeschehen ab September 1939 wechselten viele Lehrer und Schüler ihren Arbeitskittel mit der Uniform, Das Schulgebäude an der Peterstraße 123 wurde in der Nacht von 22. auf 23. Juli 1943 durch eine Bombe so schwer zerstört, dass man gezwungen war, den provisorischen Lehrbetrieb im Herrenhaus von Burg Linn fortzusetzen, ehe er am 1. August 1944 ganz eingestellt wurde.

Leitbild Bauhaus

Werkkunstschule später Fachhochschule, Petersstraße 128, 1971, Architekten: Prof. F. G. Winter, Hein Stappmann. Foto: Stadtarchiv Krefeld, Fotobestand, Objekt-Nr. 9209/10
Werkkunstschule später Fachhochschule, Petersstraße 128, 1971, Architekten: Prof. F. G. Winter, Hein Stappmann. Foto: Stadtarchiv Krefeld, Fotobestand, Objekt-Nr. 9209/10

Gut eineinhalb Jahre nach Kriegsende wurde der Lehrbetrieb wieder aufgenommen. Nach wenigen Monaten der Leitung durch Prof. Stephan Hirzel übernahm der Architekt Fritz. G. Winter 1949 den Stab und strukturierte die »Meisterschule« zur ersten Werkkunstschule (WKS) Deutschlands um.

In den ersten Mangeljahren ging die »gute Form« nicht unter, sondern fand – gerade auch in der vormaligen Samt- und Seidenstadt Krefeld – gewogene Unternehmer, die den Schulterschluss mit Kunsthandwerkern und Künstlern suchten. 1951 baute Winter das WKS-Gebäude wieder auf und aus. Leitbild der WKS ist das Bauhaus, vor allem mit seinen Vorkursen. Fritz G. Winter zieht in dieses Fundament für alle Studien-Fächer die Musik und Rhythmik ein. Er muss seine Reformen mühsam erkämpfen. Dieser Schul-Typ blieb umstritten. Dazu gab er die »Krefelder Werkhefte« heraus, in denen die Probleme dieses Schultyps diskutiert wurden. Und er gründet die Arbeitsgemeinschaft der Werkkunstschulen. Sie treffen sich jedes Jahr an einem anderen Ort – und feiern Feste. Eine Ausstellung im Kaiser Wilhelm Museum würdigte 1954 das 50jährige Bestehen der Schule. 1960 wurden der gesamte Flügel des Schulgebäudes an der Petersstraße und seine Westfassade neu errichtet.

Denkmalgeschützte Nordfassade der ehemaligen Werkkunstschule, später Fachhochschule Niederrhein. 2013 wurde das Gebäude an der Petersstraße bis auf die Nordfassde abgerissen. Foto: Ralf Janowski
Denkmalgeschützte Nordfassade der ehemaligen Werkkunstschule, später Fachhochschule Niederrhein. 2013 wurde das Gebäude an der Petersstraße bis auf die Nordfassde abgerissen. Foto: Ralf Janowski

Ein gutes Jahrzehnt ging dann noch ins Land, ehe die Hochschulpolitik in NRW 1971 zur Auflösung der überkommenen Schulform führte. In die neu gegründete Fachhochschule Niederrhein ging die WKS – ohne die Fächer Architektur und Innenarchitektur, die der Fachhochschule Düsseldorf angegliedert wurden – als »Fachbereich Design« ein. Der Studienschwerpunkt Industrie-Design wanderte 1979 nach Essen ab, und so zogen 1976 die Schwerpunkte Textil-Design und 1978/79 Keramik und Porzellan-Design in die Räume der alten Textil-Ingenieurschule am Frankenring.

An der seit 2001 als Hochschule Niederrhein firmierenden Fachhochschule wird heute der Studiengang Design mit den Studienschwerpunkten Kommunikationsdesign, Produktdesign und Raum-und Umgebungsdesign gelehrt. Die 111 Jahre alte Nordfassade des altehrwürdigen Schulgebäudes an der Petersstraße wird in das geplante Büro- und Geschäftshaus integriert und schlägt so eine Brücke zwischen Gegenwart und Vergangenheit.

Kunst und Krefeld e.V. widmete bislang folgenden Künstlern, die als Lehrer/Schüler an der Werkkunstschule und ihren Vorläufern arbeiteten, Ausstellungen: Hans-Joachim Albrecht, Wolf von Beckerath, Will Cassel, Günter Dohr, Gustav Fünders, Laurens Goossens, Peter Heeser, Johannes Itten, Elisabeth Kadow, Gerhard Kadow, Günther C. Kirchberger, Joachim Klos, Georg Muche, Klaus Peter Noever, August Pigulla, Lothar Quinte, Robert Steiger, Hubert Spierling, Helmut Seegers, Michael Schwarze und Max Peiffer Watenphul.

Kurzbiographien:
Kurzbiographien bei Kunst und Krefeld e.V.

Irmgard Bernrieder

Weitere Informationen:
»Staffellauf 1904 bis 2004 – Design von Krefeld aus«, Katalog erschienen zur gleichnamigen Ausstellung 2004 im Kaiser Wilhelm Museum