Glasfenster von Johan Thorn Prikker in der neuen Synagoge. Die Original-Vorlagen aus den Jahren 1927/28 fanden sich im Depot des Kaiser Wilhelm Museums und ermöglichten die Zweitausfertigung. Foto: Ralf Janowski
Glasfenster von Johan Thorn Prikker in der neuen Synagoge. Die Original-Vorlagen aus den Jahren 1927/28 fanden sich im Depot des Kaiser Wilhelm Museums und ermöglichten die Zweitausfertigung. Foto: Ralf Janowski

Unauffällig in die Straßenfront eingefügt ist die Außenansicht der Krefelder Synagoge. Den zufälligen Passanten der Wiedstraße fällt eher der gegenüber des jüdischen Gemeindezentrums geparkte Polizeiwagen auf, als der Eingang zu den Gemeindebüros, der Bibliothek, den Veranstaltungsräumen, dem Innenhof und schließlich der Synagoge als Kern des Ganzen. Dabei lohnt es sich durchaus, die Straßenseite zu wechseln und zunächst einmal den Eingang zu betrachten. Über dem wegen der Sicherheit immer verschlossenen Parterre ist eine Fassade aus Sandstein aufgebaut. Sie zitiert an zwei Stellen den 1938 zerstörten Vorgängerbau an der Petersstraße. Die Inschrift »Herr ich liebe Deines Hauses Stätte und den Ort, wo Deine Herrlichkeit thront« wurde übernommen.

Einer Initiative des Vereins Villa Merländer e.V. folgend, fanden sich Spenderinnen und Spender, die die Glasfenster von Johan Thorn Prikker nachbauen ließen. Die Original-Vorlagen aus den Jahren 1927/28 fanden sich im Depot des Kaiser Wilhelm Museums und ermöglichten die Zweitausfertigung. Wie alle Glasfenster entfalten sie ihre Schönheit eher von innen. Das großzügige Foyer kann betreten, wer sich an den Aktivitäten der Gemeinde beteiligen möchte. Dazu bietet sich besonders das Kulturprogramm im Kurt-Kähler-Saal an. Schließlich wurde der erste Neubau der jüdischen Gemeinde 2003 von vornherein als Begegnungszentrum konzipiert. Die Notwendigkeit eines Neubaus ergab sich seinerzeit aus einer schnellen Zunahme der Zahl der Gemeindemitglieder. Sie kamen aus den Ländern der zerfallenden Sowjetunion, wo sie sich nicht nur unsicheren Lebensverhältnissen ausgesetzt sahen, sondern auch einem zunehmend an die Oberfläche gelangendem Antisemitismus. Die Bundesrepublik bot den Juden eine Aufnahme als »Kontingentflüchtlinge« an. Sie wurden auf die bestehenden Gemeinden verteilt und stellten diese vor riesige Probleme. Jahrzehntelang hatte die Zahl der Juden in Krefeld bei etwa 120 gelegen. In der Nachkriegszeit galt Deutschland als ein Land, in dem Juden eher aus Verlegenheit lebten – bevor die nächste Generation endgültig nach Israel wechseln würde. Obwohl es tatsächlich zu einem regen Austausch kam, kristallisierte sich doch heraus, dass es Juden gab, die Deutschland als ihre Heimat betrachteten, die sie nicht verlassen wollten. Nach 1989 kamen nun Hunderte von Neuzugängen, die in einem Herkulesakt untergebracht, versorgt und betreut werden mussten. Die Räumlichkeiten der Gemeinde, die seit 1981 an der Wiedstraße lagen, waren völlig unzulänglich. In dieser Situation fand sich die Hirschfelder-Stiftung zusammen, durch deren energischen Einsatz der Neubau einer Synagoge bis 2008 ermöglicht wurde. Der Entwurf stammt von Dirk Jost. Die für das Aussehen der Synagoge prägenden Architekten wurden 2007 Klaus und Piet Reymann. Sie gestalteten die Fassade. Für den lichtdurchfluteten Raum der innenliegenden Synagoge wählten sie helle Farbklänge und eine zurückhaltende Gestaltung. Sie schufen damit einen spirituellen Ort, an dem man sich im Glauben geborgen fühlen kann.

Synagogen in Krefeld vor 1938

Synagoge an der Marktstraße/Petersstraße nach dem Umbau von 1903. Foto: Stadtarchiv Krefeld, Fotobestand, Objekt-Nr. 6592-2358
Synagoge an der Marktstraße/Petersstraße nach dem Umbau von 1903. Foto: Stadtarchiv Krefeld, Fotobestand, Objekt-Nr. 6592-2358

Im 19. Jahrhundert gab es auf dem heutigen Krefelder Stadtgebiet mehrere Synagogen und Bethäuser (Fischeln, Hüls, Linn und Uerdingen). Sie stellten sicher, dass Juden im Alltag beten konnten. Die zentrale Synagoge für die Festtage lag jedoch in der Stadtmitte. Entsprechend der Bedeutung der hiesigen jüdischen Gemeinde war Krefeld der Sitz des Oberrabbiners, der für dieses Amt für die ganze Region innehatte. Als Mitte des 19. Jahrhunderts die jüdische Gemeinde Krefelds stark gewachsen war, wurde in der Nähe des Neumarkts die erste Synagoge im preußischen Rheinland gebaut. Da es dafür keine architektonischen Vorbilder gab, orientierten sich Bauherren und Architekt an den von Karl Friedrich Schinkel entwickelten Idealvorstellung eines Sakralgebäudes – eher ein Tempel der Vernunft als ein Haus des Gebets. Besonders auffallend war eine hohe Kuppel mit einem großen Fensteraufsatz (Laterne), der für einen lichten Innenraum sorgte. Für einige Jahre sah, wer sich der Stadt näherte, drei charakteristische Türme: den der Alten Kirche, den der Dionysiuskirche und die Kuppel der Synagoge. Das Bauwerk wurde mehrfach einer weiterhin mit der Stadt wachsenden Gemeinde angepasst. Die Synagoge erhielt eine Orgel. Bei dem letzten Umbau wurde der Innenraum überwiegend mit Marmor ausgekleidet. Jan Thorn-Prikker, einst Lehrer an der in der Nähe liegenden Werkkunstschule, gestaltete einen Wandfries und mehrere Fenster. Am 9. November 1938 wurde das prachtvolle Gebäude zerstört. Doch dies ist ein anderes Kapitel. Wer heute einen Eindruck von der baulichen Wirkung der Synagoge Petersstraße haben will, stellt sich am besten vor die Mariensäule und blickt auf die Seitenfassade der Dionysiuskirche.

Ingrid Schupetta

Weitere Informationen:
Die alte Synagoge ist wieder erlebbar – RP vom 3. Mai 2019
3D-Animation der alten Synagoge bei Youtube

Literatur:
»Um- und Neubau der Synagoge in Krefeld. 22. Juni 1903«, ein Bericht der Niederrheinischen Volkszeitung, von Heribert Houben. In: »Die Heimat«, Jahresausgabe 79, 2008