Die Mitglieder der Designgruppe Kunstflug – Heiko Bartels, Hardy Fischer, Charly Hüskes und Harald Hullmann – haben in den 60er Jahren in Krefeld an der Werkkunstschule, dem späteren Fachbereich Design der Fachhochschule Niederrhein, Industrial Design studiert. Eine intensive Zusammenarbeit begann 1980; die vier Designer entwarfen gemeinsam Objekte und gründeten die Gruppe Kunstflug. In dem Katalog zu ihrer ersten Ausstellung, 1983, in der Treppengalerie des Möbelhauses Schulte an der Marktstraße in Krefeld wurde nach Christian Borngräber zum ersten Mal der Begriff »Neues Deutsches Design« formuliert, mit dem die Designbewegung der 80er Jahre dann später bezeichnet wurde. 1984 fand in Krefeld im Klärwerk die Ausstellung »Design ist Kult« statt, an der sich neben der Gruppe Kunstflug auch Entwerfer wie Volker Albus, Mateo Thun, die Gruppe Möbel Perdu, die alle dem »Neuen Deutsches Design« zugerechnet werden, beteiligten.
Die Gründung und Entwicklung der Gruppe Kunstflug ist einerseits nur vor dem gesellschaftlichspolitischen Hintergrund der Designsituation zu Beginn der 80er Jahre zu verstehen, andererseits nur im Kontext der elektronischen Medien und der elektronischen Produktion für die andere Kriterien zu entwickeln waren als die, die für die Printmedien und für die mechanische Produktion gültig waren. Wo vorher ästhetische Erziehung und als deren Verlängerung verwissenschaftliches Design standen, tummelten sich zu Beginn der 80er Jahre viele Designer mit vielen Förmchen – das heißt, es gab im besten Sinne den demokratischen Anspruch von dem Nebeneinander unterschiedlicher Konzepte. Kunstflug schreibt dazu: »Mit der ihr eigenen Vitalität schleppte die Subkultur und schleppten wir unseren ästhetischen Lärm nicht in die Produktion, sondern in die Medien, auf dass er dort produziert werde. Diese Bewegung brauchte keine Vorsprecher, benötigte keine Regeln für die gute Industrie-Form, sondern wir benötigten zu dieser Zeit nur unsere Hände und ein paar Werkzeuge, um die Blutleere des Funktionalismus als des »Kaisers neue Kleider« für uns zu demaskieren. Die Ausstellung »Wohnen von Sinnen« 1986 im Kunstmuseum Düsseldorf war Höhepunkt und Endpunkt dieser Orgie der Unverschämtheiten, der hemmungslosen Schamverletzungen. Hier versündigten sich zum Teil ahnungslose Entwerfer blasphemisch gegen die »Gute Form«. Hier war eine ganze Generation von allen guten Geistern der 20er Jahre verlassen und mit dieser Ausstellung war im Design unwiderruflich – wenn auch reichlich verspätet – die Nachkriegszeit vorbei (Auszug aus einem Vortragsmanuskript, gehalten 1990 von Harald Hullmann an der Hochschule in St. Gallen).
Bis weit in die 90er Jahren entwickelte die Gruppe Kunstflug Objekte, arbeitete für internationale Firmen und gestaltete zahlreiche Ausstellungen. Die Gruppe Kunstflug ist mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet worden. Beispielsweise 1987 mit dem Staatspreis für Design und Innovation des Landes NRW. Objekte der Gruppe Kunstflug sind in den folgenden Sammlungen: Kunstmuseum Düsseldorf, Neue Sammlung München, Centre Georges Pompidou, Paris, Historisches Museum Saarbrücken.
Harald Hullmann
Literatur (Auszug):
Gronert, Siegfried: »Kunstflug ins Industriedesign«, Form, 1982, Heft 99
Borngräber, Christian: »Zwischen allen Stühlen und dann noch ›Spieglein, Spieglein an der Wand‹!«, in Design ist Kult (Katalog), Krefeld, 1984
Kunstflug, »Kunstflug über Ulm«, Kunstforum, Nr. 82, Dezember 85/Februar 86, Seite 85
Bartels, Heiko; Fischer, Hardy; Hullmann, Harald; »Zwischen Kathodenstrahl und Kritallglas der Monitoroberfläche«, Form und Zweck – Zeitschrift für Gestaltung, Nr. 78, 1993
Das Borngräber-Zimmer Neues Deutsches Design, Kunstmuseum Düsseldorf, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung, 2009