Joseph Beuys: Dönekes kichern über den Mythos

Die eigene Mutter habe Beuys für verdreht gehalten, weiß Ingeborg Seegers. Und die pensionierte Schulleiterin und Witwe des bekannten Krefelder Malers Hellmut Seegers, legt noch nach: Das Käppi, und später der Hut, waren Teil seiner Macke. Ihre Erzählung geht in die späten 1940er Jahre zurück und legt nahe, dass Beuys’ erster künstlerischer Handstreich die Erschaffung seines eigenen Mythos war. Seinem Absturz als Kriegspilot hat er eine schwere Kopfverletzung hinzu gedichtet, erfunden waren auch jene Schamanen, die ihn fanden und pflegten und ihm so mit Fett und Filz das Leben retteten. Die Silberplatte in seinem empfindlichen Kopf, den er immer mit einem Hur schützen musste, gab es gar nicht. Tatsächlich aber kam Beuys so zu seinem Erkennungszeichen:

Die Mutter von Rainer Lynen, eine wohlhabende Unternehmerswitwe in Krefeld, hatte zwei opulente Ledersessel zu verschenken und äußerte das, als Beuys und die Seegers sie einmal gemeinsam besuchten. Beuys hätte die Sitzmöbel am liebsten gleich mitgenommen, aber als Ingeborg Seegers signalisierte, dass sie die Sessel aufpolstern lassen würde, wurden sie ihr zugesprochen. Beim Hinausgehen fiel dem enttäuschten Beuys an der Garderobe ein Hut des verstorbenen Lynen auf. Als er ihn sich vor dem Spiegel auf den Kopf setzte, meinte die Hausherrin, zum Trost für die Sessel, die er nicht bekam, könne er den Hut behalten.

Beuys steckten die Kriegserlebnisse in den Knochen, er war oft schwermütig und spielte mit dem Gedanken, sich umzubringen. Ingeborg Seegers hat ihn so erlebt. Deshalb kam Hans van der Grinten, der am Werkseminar Düsseldorf tätig war und zu einem Freundeskreis von Angehörigen der Kunstakademie und des Werkseminars gehörte, auf die Idee, ihn mit auf den elterlichen Hof zu nehmen. In einer Art Arbeitstherapie sollte Beuys für Kost und Logis auf dem Feld arbeiten. Es blieb aber ein recht kurzes Intermezzo, weil dem Hofbesitzer Beuys’ verrückte Experimente missfielen. Doch der Student Beuys ließ sich nicht für immer vergraulen. Er war auf den Geschmack gekommen und ganz besonders hatte es ihm die hausgemachte Wurst von Mutter van der Grinten angetan. Fingerdicke Scheiben schnitt er ab und steckte sie sich auf einmal in den Mund. Als Gegenleistung musste er dann in der guten Stube die Blätter signieren, die er auf dem Hof gezeichnet und nachlässig liegengelassen oder sogar verworfen hatte. Er tat es ohne zu murren. Wenn Beuys bei den Seegers an der Kull zu Besuch war, hellte sich seine Laune merklich auf, sobald Rainer Lynen vorbeikam. Der hatte nämlich als einziger in der Clique ein Auto und chauffierte die Freunde gern nach Kranenburg.

Irmgard Bernrieder

Weitere Informationen:
Die Werkgruppe von Joseph Beuys im Krefelder Kaiser Wilhelm Museum
Die Biographie von Joseph Beuys im »Lebendigen Museum Online«
Joseph Beuys im Museum Schloss Moyland
Der »Block Beuys« im Hessischen Landesmuseum Darmstadt
In memoriam Joseph Beuys – RP vom 18. Januar 2018
»Krefeld ist eine Beuys-Stadt« – RP vom 23. Januar 2016
Über die »Soziale Plastik« sowie Literatur von und über Joseph Beuys