Heinrich Campendonk
Heinrich Campendonks »Landschaft mit zwei Kühen« aus dem Jahr 1914 wurde Ende Mai 2014 in Berlin versteigert und entschwindet wieder in privaten Gefilde. Vor 54 Jahren, im August 1960, war das Gemälde Teil der Gedächtnisausstellung, die – während der Renovierungszeit des Kaiser-Wilhelm-Museums – mit überwältigend positivem Presse-Echo im Haus Lange stattfand. Ein anderes Campendonk zugeschriebenes Gemälde »Rotes Bild mit Pferden«, stand 2006 als spektakulärer »Dachbodenfund« im Mittelpunkt einer Kölner Auktion, aus der sich einer der größten Kunstfälscherskandale der Nachkriegszeit entwickelte.
Im Mai 2014 hat sich der Pulverdampf längst verzogen, und gibt den Blick frei auf eine weitgehend übersehene Facette im Schaffen dieses »Blauen Reiters« aus Krefeld: Seine Glasfenster, die nun im Mittelpunkt einer großen Ausstellung im Glasmalerei Museum Linnich stehen.
Mit den Monumentaltechniken Wandmalerei, Glasmosaik und Glasmalerei vertraut gemacht hatte sich der junge Campendonk bei seinem Lehrer Johan Thorn Prikker, während seines Studiums an der Krefelder Kunstgewerbeschule (1905 bis 1909). Prikker, der Pionier der modernen Glasmalerei im 20. Jahrhundert im Rheinland, scheint seinen Schüler nachhaltig beeindruckt zu haben, denn als der Niederrheiner 1911 auf Einladung der Künstlervereinigung »Blaue Reiter« ins oberbayerische Sindelsdorf übersiedelt, befasst er sich – wohl auch angeregt durch die alte bäuerliche Volkskunst der Hinterglasmalerei – erneut mit diesen Techniken und schafft kleine, intime Hinterglasbilder.
Nach seiner Rückkehr ins Rheinland 1923 konzentriert Campendonk sich erneut auf diese Gattung der angewandten Kunst. 1926 entsteht die Bleiverglasung »Kreuzigung« für das Augustinerkloster in Marienthal. Im gleichen Jahr übernimmt er eine Professur an der Düsseldorfer Kunstakademie und führt in den Folgejahren bis 1934 eine Reihe von Aufträgen für historische Kirchen (Münster zu Bonn) und zeitgenössische Sakralbauten bedeutender Architekten (»Maria Grün« in Hamburg-Blankenese von Clemens Holzmeister) aus. Es entstehen geometrisch-abstrakte Ornamental-, Symbol- und Figurenfenster. 1934 entheben die Nationalsozialisten ihn seines Amtes, Campendonk emigriert über Belgien in die Niederlande. In Amsterdam nimmt er 1935 erneut eine Professur an. Hier entstehen in der Folgezeit vor allem monumentale Verglasungen für Profanbauten, wie für die Bank von Indonesien und die Elektrizitätsgesellschaft ANIEM. Seine Lieblingsmotive sind stilisierte Tiere und Pflanzen in zarten Grisaille- und Pastelltönen.
Als Glücksfall für die Forschung und die aktuelle Campendonk-Ausstellung in ihrem Haus bezeichnet Dr. Myriam Wierschowski, die Direktorin des Deutschen Glasmalereimuseums, die Entdeckung des Briefwechsels zwischen Campendonk und deutschen Auftraggebern und Werkstätten während des Zweiten Weltkriegs. Im niederländischen Exil entwirft der Künstler für die Kölner St.-Kolumba-Kirche 1941 bis 1944 eine Gesamtverglasung für die Ostwand mit fünf großformatigen Motiven. Die Linnicher Schau präsentiert erstmals die beiden während des Krieges ausgeführten monumentalen Fenster zusammen mit den Originalkartons der übrigen Fenster und einem weiteren posthum ausgeführten Fenster.
Irmgard Bernrieder
Weitere Informationen:
Wandgemälde in der Villa Merländer
»Kristalline Welten – Die Glasgemälde Heinrich Campendonks« im Deutschen Glasmalerei-Museum Linnich vom 5. April – 28. September 2014
Kunst und Krefeld e.V.: Glasmaler & Lichtgestalter nach 1945, Krefeld und der Niederrhein. Krefeld, 2010, ISBN 978 -3-9811973-1-0
Seit 2016 beherbergt das wiedereröffnete Museum Penzberg die größte Sammlung von Werken Heinrich Campendonks. Im Frühjahr 2017 ist der erste Werkkatalog der Hinterglasbilder Heinrich Campendonks erschienen. Herausgeber ist das Museum Penzberg.