Es war einmal der deutsche Kaiser Wilhelm II …

Husareneinzug 1906, Begrüßungszeremonie auf dem Ostwall. Gemälde von C. Röhling, aus: »Altes Crefeld«. Frankfurt/M.: Verlag Weidlich, 1975
Husareneinzug 1906, Begrüßungszeremonie auf dem Ostwall. Gemälde von C. Röhling, aus: »Altes Crefeld«. Frankfurt/M.: Verlag Weidlich, 1975

… der besuchte die Stadt Krefeld im Jahre 1902, weil er mit den Stadtoberen den 200. Jubiläumstag der Zugehörigkeit zu Preußen feiern wollte. Da begab es sich aber, dass die Krefelder Fräuleins den Kaiser umschmeichelten. Sie hätten doch so gerne schmucke Tänzer, möglichst fesche Offiziere. Und auch die reiferen Damen unterstützten das Anliegen. Allerdings träumten sie von folgenden Hochzeiten und Verbindungen des Krefelder Geldadels mit dem preußischen Adel, aus dem die meisten der Offiziere stammten. Nun war der Kaiser ein sehr netter Mann, der Frauen keine Wünsche abschlagen konnte und so sagte er seinen Leuten, dass sie Soldaten nach Krefeld schicken sollten. Die wählten Reiter aus Düsseldorf aus, das 2. Westfälische Husaren-Regiment Nr. 11. Die Husaren hatten nämlich besonders schicke Uniformen mit hübschen Borten und Säbeln. Zu besonderen Gelegenheiten trugen sie weiße und schwarze Geierfedern an der Pelzmütze. Die Krefelder waren darauf so dankbar, dass sie für des Kaisers Soldaten eine moderne neue Kaserne, einschließlich Offizierskasino und Exerzierplätzen, bauten. Da freute sich der Kaiser sehr und kam nochmal nach Krefeld. An der Spitze der Husaren ritt er am 2. April 1906 in die Stadt ein. Ganz Krefeld war auf den Beinen und jubelte. Der Kaiser persönlich brachte den Krefeldern eine Garnison und den Damen ihre Tänzer. Alle waren glücklich und zufrieden und tanzten bis an ihr Lebensende. Die Krefelder Husaren wurden auf der ganzen Welt als Tanzhusaren bekannt.

Soweit eine Anekdote, wie sie sich hartnäckig in der Erinnerung der Krefelder hält. Wie die meisten schönen Geschichten enthält sie ein Körnchen Wahrheit. Tatsächlich verkündete Wilhelm II bei seinem Besuch in Krefeld, dass er hier gerne eine Garnison sähe. Diese Idee wurde aber so begierig aufgenommen, dass ihre vermeintliche Spontaneität in Zweifel gezogen werden kann. Das Militär hatte ein Eigeninteresse an einer Garnison auf der westlichen Rheinseite, zudem waren die Husaren in Düsseldorf in einer Kaserne untergebracht, die dringend der Renovierung bedurfte. Die Krefelder Stadtspitze war dankbar für jede stabile wirtschaftliche Aktivität, denn die Textilwirtschaft war enorm krisenanfällig. Von einer Garnison erwartete man wirtschaftlichen Aufschwung. Die tausend Soldaten brauchten Nahrung, Kleidung und Unterhaltung. Die Offiziere sollten in Häusern mit Dienstpersonal wohnen. So brachte man als Willkommensgruß 4 Millionen Mark aus dem Stadtsäckel auf, was schon damals eine Menge Geld war. Dass säbelschwingende Reiter auch bei inneren Unruhen, etwa bei Streiks und Arbeiteraufständen gut einsetzbar waren, dürfte eine unausgesprochene Versicherung der Stadtoberen gewesen sein.

Husar 1906, Zeichnung von Richard Knötel, aus: »Altes Crefeld«. Frankfurt/M.: Verlag Weidlich, 1975
Husar 1906, Zeichnung von Richard Knötel, aus: »Altes Crefeld«. Frankfurt/M.: Verlag Weidlich, 1975

Man tanzte nur bis 1914. Nach der Mobilmachung zum Ersten Weltkrieg ging es in Richtung Westen. Die Husaren ritten in Richtung Meaux und nahmen unter anderem an der Marne-Schlacht teil. Allerdings entwickelte sich bald der Stellungskrieg, in dem die anachronistische Bewaffnung zu nichts mehr nutze war. Ende 1914 bis Anfang 1918 kämpften die Husaren an der Ostfront, ab 1916 bereits nicht mehr zu Pferde. Die Überlebenden wurden in den letzten Kriegstagen an der Westfront eingesetzt. Nach dem Versailler Abkommen musste das Regiment aufgelöst werden und kehrte nicht mehr nach Krefeld zurück. Die Soldaten bildeten nun eine Art Truppe für die innere Sicherheit innerhalb der Reichswehr. Verschiedentlich umbenannt, kämpfte man wieder mit Säbeln gegen aufständische Arbeiter in Berlin, in München und im Ruhrgebiet, auch gegen die Putschisten gegen die Reichsregierung Bauer 1920. Erst im September 1920 (nicht wie im Vertrag vorgesehen am 10. Januar 1920) wurde das Regiment dann förmlich aufgelöst.

Diese Tatsache erklärt auch eine merkwürdige Inschrift an dem Husarendenkmal auf dem Vluyner Platz, dass 1929 im Auftrag der ehemaligen Offiziere errichtet wurde und an 319 tote Kameraden erinnern sollte: »Unseren Gefallenen 1914-18-20«. Der Krefelder Heimathistoriker Prof. Dr. Karl Rembert, selbst einst ein Husar, fasste das Weiterkämpfen der Soldaten im Inneren in die Worte: »Auch nach dem Umsturz blieben Führer und Mannschaften unentwegt ihrem Fahneneide treu, als es bei den Revolutionskämpfen in Berlin und bei der Niederwerfung der Räte-Regierung in München die höchsten Proben der Selbstdisziplin abzulegen galt […]. Zuletzt hatten sie 1920 bei den Ruhkämpfen ihren Mann zu stehen, um unsere niederrheinische Heimat vor dem Bolschewismus zu bewahren.« (Heimat Jahrgang 8 von 1929)

Man fragt sich nachdenklich, was der Oberlehrer (Realgymnasium am Moltkeplatz) mit »Umsturz« meinte und wem 1920/29 sein Fahneneid gegolten haben mag. Aber egal: Männlichkeit und Selbstdisziplin drückt der Reiter mit dem sich dynamisch aufbäumendem Pferd auf der hohen Säule auf jeden Fall aus. Entschlossenen Blickes reckt er sein starkes Kinn vor und bohrt seine lange Lanze in die Luft. Unter den Hufen trägt die Denkmalsäule das alte Regimentswappen. Unter der deutschen Kaiserkrone stehen die Buchstaben W für Wilhelm (den I.), R für Rex (als preußischem König) und H für Husaren. Auch dieses lässt vermuten, dass Rembert und die anderen tanzenden Offiziere selbst nach 10 Jahren keine Anhänger der Weimarer Republik geworden waren.

Ingrid Schupetta

Weitere Informationen:
Elisabeth Kremers: Hurra, die Tanzhusaren kommen. Der 2. April 1906. In: »Die Heimat«, Krefelder Jahrbuch, Band 77, 2006, Seite 51ff.
Dieter Peschken: Die Tänzer mit der Lanze. In: »Die Heimat«, Krefelder Jahrbuch, Band 84, 2013, Seite 183ff.