Zur Neueröffnung des Kaiser Wilhelm Museums

Martin Hentschel hat es geschafft. Der Umbau des Kaiser Wilhelm Museums am Karlsplatz, im Juli 2012 begonnen, wurde mit vielen Verzögerungen gerade noch so fertig, dass Hentschel kurz vor seiner Pensionierung das umfassend sanierte und restaurierte Haus beziehen konnte. Seit 2001 war der Kunsthistoriker und Beuys-Schüler Direktor der Krefelder Kunstmuseen, im Januar 2010 musste er seine Arbeit im Kaiser Wilhelm Museum unterbrechen und mit seinen Mitarbeitern und allen Kunstwerken ins Depot nach Uerdingen ziehen. Zunächst wurde das Gebäude, jetzt unter der Adresse Joseph-Beuys-Platz 1, den Krefeldern vom 1. bis 3. April in leerem Zustand vorgestellt. Man erlebte ein großzügiges Foyer, eine Cafeteria und zwei Treppenhäuser, die zu den beiden Ausstellungsetagen führen. Staunen und Bewunderung ließen sich die Besucher anmerken, aber auch Vorfreude, bald wieder Kunst sehen zu können. Hentschel versprach »Das Abenteuer unserer Sammlung« zu zeigen und konnte sich für sein letztes Ausstellungs-Konzept aus einem Bestand von 14.000 Sammlungsstücken bedienen, von denen er 374 auswählte.

Sein Ziel war es, Kunstwerke aus bestimmten historischen Momenten zu zeigen, er wollte Dialoge und Beziehungen herstellen und Sehgewohnheiten aufbrechen. »Kunst nach 1945 aus den Kunstmuseen Krefeld« heißt die Ausstellung im Untertitel, aber besonders reizvoll ist die Gegenüberstellung mit einigen Werken aus vergangenen Jahrhunderten. Die Fresken von Johan Thorn Prikker, 1923 an die Wände eines Saales in der 2. Etage gemalt, waren lange verdeckt und sind jetzt wieder ein Erlebnis. Hentschel hat ihnen Kleinplastiken – Ziergläser, GläsersätzeKunstgewerbliches u.a. von Ernst Barlach und Peter Behrens, Lois Comfort Tiffany und Koloman Moser aus der gleichen Zeit gegenübergestellt, aber auch gegenwärtige Plastiken von Michel Sauer-präsentiert in einem großen Holzregal.

Großformatige Malereien von Gerhard Richter, Sigmar Polke und Fabian Marcaccio sind markante malerische Positionen, die Hentschel in enger Nachbarschaft versammelt hat. Auch Claude Monet vertritt mit dem Parlamentsgebäude die Malerei, ebenso Piet Mondrian mit den vier Kleinformaten. Die beiden Räume, in denen Joseph Beuys sieben seiner großen plastischen Werke installierte, blieben unberührt. Das Regal »Barraque D´Dull Odde« ist wohl das markanteste Objekt, der »Brunnen« von 1952 das älteste Werk, von Beuys eigenhändig nachträglich in Zusammenhang mit den anderen gebracht.

Yves Kein ist zwar präsent, aber nicht mehr mit den Großformaten, von Norbert Prangenberg gibt es sowohl Malerei als auch großformatige keramische Plastiken. Und hier ist es geglückt, Gegenwartskunst mit einer »Florentiner Madonna« (1470) zu kontrastieren. Das gelingt auch auf der 1. Etage, wo eine »Heilige Sippe« aus dem 15. Jahrhundert hängt, und auch die Verkündigung von Kiki Smith steht, eine Alu-Figur von 2008. Wie früher Künstler schon auf Arbeiten ihrer Kollegen reagierten, belegt ein Bild von Heinrich Nauen. Darauf ist unter anderem ein japanischer Farbholzschnitt zu sehen, der zur Sammlung japanischer Farbholzschnitte des Museums gehört, aus der 19 weitere Exemplare ebenfalls präsentiert werden.

Die großformatigen Fotos von Andreas Gursky und die fünf Porträts von Thomas Ruff nehmen viel Platz ein, für Lärm sorgen die Soundinstallation von James Webb und die Ton- und Lichtinstallation von Hermann Göpfert. Die Kinetik ist mit der »Olympia« von Jean Tinguely vertreten, die zu bestimmten Zeiten mit dem Typenhebel wackelt. Der Besucher entdeckt berühmte Namen: Otto Piene, Christo mit Verpackungen, Arman mit »Poubelles«, Robert Indiana und seine große »Nine« und Reiner Ruthenbeck und sein »Schwarzer Papierhaufen.« Claes Oldenburg und Andy Warhol, Blinki Palermo und Daniel Buren, Richard Tuttle und Sol le Witt sind vertreten, deren Objekte und Malereien zu den wichtigen Zeugnissen der Kunst der Nachkriegszeit gehören und der Krefelder Sammlung internationalen Ruf verschafften. Auch der Krefelder Herbert Zangs ist vertreten.

Auf beiden Etagen gibt es immer wieder Begegnungen mit »alten Bekannten«: Romantische Landschaften, von Johann Wilhelm Schirmer beispielsweise, Expressionisten wie Emil Nolde und Heinrich Campendonk sind dabei, Abstraktes von Ernst Wilhelm Nay und Wassily Kandinsky ebenso wie die impressionistische Dame von Max Slevogt.

Großen Raum hat Hentschel auch den Künstlern gegeben, die mit der Region und der Düsseldorfer Kunstakademie verbunden werden, an der sie studierten oder lehrten. Die Großplastiken – Buchstaben aus Karton und Stahl – von Harald Klingelhöller beeindrucken. Von Tony Cragg und Reinhard Mucha, Wolfgang Luy, Katharina Fritsch und Thomas Schütte sind für ihre Arbeit typische Exponate zu sehen, ebenso wie eine große Wandarbeit von Felix Droese.

Dass es mit dem »Studio 1« ein Schaulager für die grafische Sammlung gibt und im »Studio 2« einen Ort für den offenen Austausch mit den Besuchern, gehört zu den Neuerungen. Zur Kunstvermittlung sind im Erdgeschoss Räume entstanden, und in Vitrinen im Foyer wird ein kleiner Shop vorgehalten.

Mit Kunst einen »Abenteuerspielplatz« einzurichten, war ein Abenteuer, auf das sich Hentschel eingelassen hat, und dem Besucher sich ohne Angst vor emotionalen Dissonanzen aussetzen sollten. Der Weg durch den »Dschungel« ist mit gedruckten Wegweisern ausgestattet, Irrwege bleiben versperrt und Irritationen sind nicht zu unbequem. Welche Abenteuer sich noch in der Sammlung verstecken, wird Sylvia Martin, stellvertretende Direktorin, mit einer eigenen Auswahl in einem 2. Teil 2017 vorstellen. Erst danach wird die neue Hausherrin, Katia Baudin, eine erste Vorstellung davon zeigen, was sie zukünftig für sehenswert hält, was sie angekauft hat, und wie sie das aktuelle Kunstgeschehen wertet.

Hans-Dieter Peschken, 2016

»Das Abenteuer unserer Sammlung II« – am 30. März 2017 wurde die Fortsetzung dieser Ausstellung eröffnet. Kuratorin: Dr. Sylvia Martin

Die Ausstellung dokumentiert anhand von Skulpturen, Gemälden, Grafiken, Fotografien, kunsthandwerklichen Objekten und Videoarbeiten die große Bannbreite künstlerischer Aussagen in Verbindung mit der Sammlungs-und Museumsgeschichte der Kunstmuseen Krefeld.

So sind auf der ersten Ausstellungsetage Werke zu sehen, die Mäzene, Stifter und Förderer dem Museum seit der Eröffnung 1897 geschenkt haben, während auf der zweiten Ebene ein spannender Einblick in die Zusammenarbeit zwischen Künstlern und Museum gewährt wird, die bereits um 1900 beginnt und sich in den 1960iger Jahren in ortsspezifischen Projekten fortsetzt. Die Ausstellung endete am 1. Oktober 2017.

Irmgard Bernrieder

Weitere Informationen:
Irmgard Bernrieder über die Wiedereröffnung des Kaiser Wilhelm Museums 1968: »Documenta auf Dauer«
Irmgard Bernrieder über die Sammlung der Krefelder Kunstmuseen
Irmgard Bernrieder über die Gegenwartskunst der 60er Jahre in den Krefelder Kunstmuseen: »Kann das Kunst sein?«

Nähere Informationen finden Sie auf den Seiten der Kunstmuseen Krefeld