ICHS, Garten von Haus Esters
Wenn Ludger Gerdes (1954 bis 2008) von »ICHS« redet, meint er »wir«. Besser gesagt, er meinte es. Denn der unter Kollegen als stiller Maler und Bildhauer bezeichnete Künstler ist bereits 2008 bei einem Verkehrsunfall 54jährig ums Leben gekommen. Eine seiner »visuellen Metaphern« (Elisabeth Hartung) aber, jenes in großen Buchstaben geformte Wort »ICHS« im Garten von Haus Esters, besteht weiter.
Eingebettet in die Grünanlage des Mies-van-der-Rohe Baus korrespondiert diese Neonskulptur mit den umgebenden Büschen und setzt sich zugleich durch ihre klare, regelrecht grafische Gestalt von der floralen Umgebung ab. In der Dämmerung und illuminiert verliert sich dieser Gegensatz ein wenig, zumal der Lichtschimmer das Wort »ICHS« umso präsenter erscheinen lässt. Doch welches »Ich« ist gemeint, wenn Gerdes hier in der Mehrzahl spricht? »Ichs« spielt darauf an, »dass man selbst nicht eine homogene Einheit, sondern eine Vielheit ist, die sich nicht vereinheitlichen lässt (…), schreibt Dietmar Elger dazu. »Andererseits ist das Wort »ichs« ein Synonym für »wir«. Es bietet sich an, um zum Ausdruck zu bringen, dass dasjenige, was man wir nennt, nicht homogen, sondern ein aus unterschiedlichen Teilen bestehendes Gebilde ist. Wir ist eine Menge von Ichs. Und Ich? Manches Ich ist mehr als eines: Ich ist ein wir«.
So animiert die Arbeit von Ludger Gerdes als »Denkmodell« dazu, den Ort ihrer Präsentation zu erkunden und die zahlreichen Wechselbeziehungen zwischen Umgebung und Kunst zu erfassen. Das lohnt sich auch in Marl, wo ebenfalls seit 1989 an der Außenfassade des Rathauses der Schriftzug »Angst« prangt, umrahmt von den Piktogrammen eines Golfspielers und einer Kirche. Wer oder was ist es, was hier Angst bereitet? Der Luxus, die Religion? Und bezogen auf Krefeld: Meint das ICHS die Kunst, den Garten oder vielleicht doch eher die Funktion, die die Kunst im Außenraum hat? Ludger Gerdes haben diese Zusammenhänge schon früh interessiert, insbesondere die Fragen, wie man Kunst einer großen Öffentlichkeit nahebringen kann. Bestandteil dieses vielfältigen Geflechts von Fragen ist dabei der Mensch. Und spätestens im Anblick der Arbeit »ICHS« wird klar, dass es nicht nur eine Antwort gibt.
Werkangabe:
Ludger Gerdes, ICHS, 1989, Aluminium, Plexiglas, Neonröhren, Stahl, 260 × 840 × 10 cm, Garten von Haus Esters in Krefeld
Christian Krausch