Ohne Titel, 1990/92
Der Weg zur Agentur für Arbeit ist in den seltensten Fällen unbeschwert. Existenzsorgen, Fragen nach der Zukunft, aber auch Hoffnung auf Veränderung sind hier stetiger Begleiter. Ein wenig spiegelt sich dieses Paket an Emotionen in jener großen freistehenden Skulptur von Erwin Heerich (1922 bis 2004), die seit 1990 den Vorplatz der Agentur für Arbeit markiert. Denn die aus drei Quadern in die Höhe gestapelte Arbeit scheint geradezu mit dem Thema der Entwicklung zu spielen, was deutlich wird bei ihrem Anblick vom Haupteingang der Agentur für Arbeit aus. Von hier aus betrachtet öffnet sich das Objekt in seinem oberen Drittel und gibt die Blicke frei auf seinen inneren Kern, der sich geradezu wie ein Halm aus seiner Ummantelung befreit. Die dem Eingang abgewandte und zur Philadelphia-Ecke Hansastraße hin ausgerichtete Seite dagegen, lässt das Objekt sehr geschlossen erscheinen, was auch, positiv gedacht, als schutzgebend verstanden werden kann. Rein sachlich betrachtet handelt es sich bei der Arbeit vor der Agentur für Arbeit um eine mathematische durchdachte Konstruktion aus geometrischen Grundformen, die sich von einander ableiten lassen und auch ergänzen. So ist das Innere der drei Quader von vier kleineren Würfeln erfüllt, deren Kantenlägen wiederum in den Maßen der je fünf Bodenplatten aufgegriffen werden. Und es überrascht bei so viel Zahlenspiel nicht wirklich, dass die Arbeit dabei zwei wesentliche Schauseiten aufweist, zwischen denen sich der Übergang vom Geschlossenen zur Öffnung hin entfaltet.
Erwin Heerich gehört zu den wichtigsten deutschen Bildhauern des 20. Jahrhunderts. Von der frühen Kartonplastik reicht sein »Universum von Raumkörpern« (Christoph Brockhaus) über Skulpturen aus Messing und Stein bis zu seinen Bauten für die Museumsinsel Hombroich in Neuss, die gleichsam als begehbare Skulpturen zu verstehen sind. Überdies hat Heerich ein umfangreiches Konvolut von Freiplastiken entwickelt, die, wie auch in Krefeld, »unter Wahrung ihrer Unabhängigkeit in Korrespondenz zum Umraum treten und ihn mit stimulieren und artikulieren« (Johannes Cladders). Dabei ist es richtig, dass die Werke in ihrem Spiel aus mathematischer Logik und Geometrie erst einmal auf sich selbst bezogen bleiben. Darüber hinaus aber erscheint zumindest der Basaltsolitär in Krefeld nicht allein als Stimulanz für den ihn umgebenden Raum, sondern auch für den Menschen darin.
Werkangabe:
Erwin Heerich – Ohne Titel, 1990/92, Basaltsolitär, 540 × 180 × 180 cm. Philadelphiastraße 2 (Agentur für Arbeit) in Krefeld
Christian Krausch