Das Kaiser Wilhelm Museum in der Stadtgeschichte

»… zur Pflege von Werken des Friedens, der Kunst, Bildung und Gesittung.«

Mit Muscheln und Schnecken fing alles an. Genau genommen mit der Sammlung des Samtfabrikanten F.W. Hoeninghaus, der seine Conchylien, Fossilien und Mineralien mit der dazu gehörenden Fachbibliothek 1856 der Stadt Krefeld vermachte, »zur Begründung eines Instituts, das in weiterer Ausbildung dermaleinst eine Zierde unserer Stadt werden dürfte.« Die Stadtverordneten ließen sich’s gefallen und brachten die Stiftung in einem Schulzimmer der Provinzial-Gewerbeschule unter. Aber der Gedanke eines Museums für Krefeld war in der Welt und fand im Crefelder Handwerker- und Bildungs-Verein starke Befürworter. Sein Vorstandsmitglied, der Architekt Hugo Koch, forderte 1880 die Krefelder öffentlich zum Bau eines Gewerbemuseums auf. »Andere Städte und Völker« hätten schon den Nutzen einer solchen Einrichtung etwa im besseren Absatz ihrer Industrieerzeugnisse, erfahren

Drei Jahre später, am 7. März 1883, wurde ein selbstständiger Museumsverein ins Leben gerufen. Um »kunstgewerbliche Vorbilder und Gegenstände« anzuschaffen, schenkte der Mutterverein seinem Ableger 1.000 Mark. Eine Ausstellung von Kunstwerken aus Krefelder Privatbesitz, nur vier Monate später in der Stadthalle, brachte dem Museumsverein unerhörte Popularität und ließ die Mitgliederzahl in die Höhe schnellen. Bei einem Mindestmitgliedsbeitrag von drei Mark verzeichnete der Verein 1884 bereits 3.000 Mark Jahreseinnahmen. Eine kunstfreudige und spendenwillige Bürgerschaft glühte für ihr Museum. »Vorbilder alter und neuer Kunst« zu erwerben, galt dem Vorstand als Hauptanliegen. Es gab wenig, was nicht gesammelt und katalogisiert wurde: Altertümer (aus den Grabungen Gellep und Asberg) und Bücher (für eine städtische Bücherei).

Um den rasch wachsenden Bestand Besuchern zeigen zu können, stellte die Stadt die Schule am Westwall zur Verfügung, wo am 13. September 1885 das erste Museum eröffnet wurde.

Als am 9. März 1888 der außerordentlich populäre Kaiser Wilhelm I starb, wollten Krefelder Bürger ihm ein Denkmal errichten und spendeten dafür große Summen. Dr. H. Keussen formulierte schließlich die Idee, an Stelle des üblichen Gedächtnismales ein monumentales Gebäude zu errichten: Ein Kaiser Wilhelm Museum »zur Pflege von Werken des Friedens, der Kunst, Bildung und Gesittung.«Bis Ende des Jahres spendeten Krefelder Bürger 365.000 Mark. Hugo Kochs Entwurf, der das Kaiserstandbild im Innern des Gebäudes vorsah, setzte sich durch. 1894 begann der Bau auf dem Karlsplatz, am 6. November 1897 wurde das Kaiser-Wilhelm-Museum eröffnet.

Schon 1896 hatte der Museumsverein seine umfangreichen Sammlungen der Stadt übergeben und um die Berufung eines Fachmannes zum Museumsdirektor gebeten. Dr. Friedrich Deneken trat sein Amt am 1. Juli 1897 an. Der Museumsverein zählte damals 1293 Mitglieder und wuchs, obwohl der Mitgliedsbeitrag auf fünf Mark erhöht wurde, bis Ende 1900 auf 1431.

Museal genutztes Denkmal – das Bauwerk Kaiser Wilhelm Museum

Mitte 2014 sind die Umbau- und Sanierungsmaßnahmen am Kaiser Wilhelm Museum zu gut zwei Dritteln abgeschlossen, und wenn es nach Planungsdezernent Martin Linne geht, wird im Herbst 2015 die Wiedereröffnung des Traditionshauses gefeiert. Spezialverglasungen sorgen dann für optimalen Lichteinfall, die neuen Raumfluchten werden mit einer Geothermie-Heizung erwärmt, aber das für erhebliche Mehrkosten angehobene Dach wird seine Wirkung verfehlen: Der gewonnene Raum soll nicht genutzt werden, obwohl das Museumsmagazin aus allen Nähten quillt und teuer extern gelagert wird.

20 Stufen hinauf oder erst acht Stufen hinauf und dann 24 Stufen hinunter wollten genommen sein, ehe die ersten Besucher sich an den Ausstellungsstücken im Kaiser Wilhelm Museum ergötzen konnten. Die vielen Treppen und Türen lernte Museumsdirektor Friedrich Deneken, wie er in seinen Aufzeichnungen anmerkt, leidvoll kennen, als er die Dauerausstellung in den Museumsräumen einrichtete.Noch ehe das Museum eröffnet wurde, beklagte er »die Raumverschwendung« im Neubau. Und diese rührte daher, dass des Kaisers Wilhelm I. marmornes Standbild die innere Gliederung beherrschte: Die zentrale Treppenhalle war Gedächtnisraum für den populären Monarchen, nach dessen Tod in Deutschland an die 1.000 Monumente ihm zu Ehren aus dem Boden sprossen. In Krefeld bringt diese patriotische Welle einen architektonischen Zwitter hervor. Denkmal und Museum in einem.

Hugo Koch, einer der Ideengeber und Architekt des Museums, nimmt für den zweigeschossigen Werksteinbau mit hohem Sockel aus Basaltlava Stilanleihen bei italienischen Renaissance-Palästen. Die Doppelfunktion des Gebäudes hat aber zur Folge, dass das Haus für die museale Nutzung zu klein gerät, und das Ehrenmal, um das ursprünglich herum gebaut wurde, schließlich nördlich vorm Museum im Freien landet. Die Bronze-Statue nach einem Entwurf von Gustav Eberlein enthüllt man am 5. Februar 1899, erst zwei Jahre nach der Einweihung des Museums. Wenig später wird die bronzene Bekrönungsplastik von Hugo Lederer über der Attikazone installiert. Sie stellt eine Muse dar – symbolisch für die Kunst – die zwei Kunsthandwerker beschützt. Schon 1906 brachte Museumsdirektor Friedrich Deneken seine Denkschrift zum Erweiterungsbau unter die Leute – und stieß damit offene Türen auf. Dank reichlicher Spenden seiner Mitglieder konnte der Museumsvereins von den Baukosten (samt Verbesserung der Innenausstattung) 212.000 Mark übernehmen, die Stadt steuerte 186.750 Mark bei. Für breitere Säle im Altbau und zwei geräumige Neubau-Flügel links und rechts wurde die gesamte Westfront um dreieinhalb Meter vorgerückt. Die Bauarbeiten dauerten von 1910 bis 1912. Deneken nutzte diese »Zwischenzeit« und präsentierte der internationalen Gästeschar zur Eröffnung des Erweiterungsbau am 28. September 1912 völlig neu geordnete Bestände.

In die Ägide von Paul Wember fiel der vorletzte Umbau des Kaiser Wilhelm Museums. Am 1. April 1960 wurde das Haus geschlossen, aber erst am 4. März 1966 begannen die Bauarbeiten! Sechs Jahre, die von Etatkürzungen und Streitereien der Ratsfraktionen untereinander sowie von Stimmungsmache in den örtlichen Medien geprägt waren. Auch vom Gezänk nostalgisch gesinnter Kunstfreunde und den erklärten Neuerungsabsichten des Museumsleiters, der durch seine Ausstellungserfolge einen starken Rückhalt in der überörtlichen Presse hatte. Die Freitreppe wurde abgetragen, sodass man das Museum ebenerdig betreten konnte. Das aufwendige Treppenhaus wurde aufgebrochen, und durch den Einbau zweier Decken in Geschosshöhe entstanden drei Hallen und zwei kleinere Räume. Insgesamt ein Raumgewinn von 807 Quadratmetern Ausstellungsfläche. Zusätzlich wurde der Lichthof für Plastik-Ausstellungen erschlossen und ein neuer Mehrzweckraum sollte fortan als Cafeteria, Veranstaltungs- und Ausstellungsraum dienen.

Irmgard Bernrieder