Stolpersteine
Eigentlich fallen sie kaum auf, die Stolpersteine von Gunter Demnig. Bescheiden integrieren sie sich in das Bodenpflaster auf Krefelds Bürgersteigen, irgendwie Teil des Weges und dennoch – plötzlich – sehr präsent. Wer einmal von ihrer Existenz weiß, der kommt nicht umhin, ihnen auf dem alltäglichen Weg durch die Stadt zu begegnen. Und das, nebenbei bemerkt, nicht allein in Krefeld. Denn das, was 1992/93 als Idee begann, ist inzwischen unter dem Projektnamen »Stolpersteine« an über 500 Orten in Deutschland und mehreren Ländern Europas Realität geworden. Demnig ist es nach der ersten (noch inoffiziellen) Verlegung 1997 in Berlin durch intensiven Einsatz und trotz mancher zähen Wege der Bürokratie gelungen, bislang rund 48.000 Steine zu platzieren. Ziel der Steine ist es, durch Verlegung an dem letzten selbstgewählten Wohnort sowie Nennung des Namens, der Geburts- und Deportationsdaten an die Opfer der NS-Zeit zu gedenken. Dabei meidet Demnig bewusst die Form des üblichen Mahnmals an zentraler Stelle, das letztlich durch größtmögliche Verallgemeinerung die Individualität der Betroffenen negiert. Vielmehr erhält das Projekt die Erinnerung an die unfassbare Zahl der im Zweiten Weltkrieg ermordeten Juden, Zigeuner, politisch Verfolgten, Homosexuellen, Zeugen Jehovas sowie aller Euthanasieopfer dieser Zeit lebendig, indem Demnig die Toten konkret über ihre jeweiligen Namen in Erinnerung behält.
2006 kam es nach anfänglichen Bedenken der Stadt Krefeld sowie auch der jüdischen Gemeinde, dank einer Unterschriftenaktion von Schülern der Kurt-Tucholsky-Gesamtschule für ein Bürgerbegehren und dem damit verbundenen großen Presseecho, zur Verlegung des ersten von bislang insgesamt 23 Stolpersteinen in der Seidenstadt. Ausgangspunkt der Bedenken war die Sorge, dass die Erinnerung an die Verstorbenen durch die Platzierung der Stolpersteine auf dem Gehweg mit Füßen getreten würde. Tatsächlich aber ist Intention der auf dem Boden angebrachten Inschriften eine »symbolische Verbeugung vor den Opfern«, die letztlich an eine reale Verbeugung gekoppelt ist, will man die Namen lesen.
Grundsätzlich bestehen die Stolpersteine aus knapp 10 cm großen Betonwürfeln mit Deckplatten aus Messing, in die die jeweiligen Namen und Informationen von Hand geschlagen sind. Demnig wählt absichtlich die manuelle Form der Produktion, die in deutlichem Gegensatz zur Massen(ab)fertigung der Tötungsmaschinerie zu sehen ist. Eine detaillierte Auflistung aller Namen und Orte in Krefeld, sowie kurze Biografien der Verstorbenen finden sich bei Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Überdies ist von Egon Traxler im Krefelder Jahrbuch die Heimat Band 83 aus dem Jahr 2012 exemplarisch die traurige Geschichte von Margarethe Papendell (1941 bis 1943), dem jüngsten von acht Kindern der Eheleute Elisabeth und Jakob Papendell, einstmals wohnhaft auf der Inrather Straße in Haus 145, niedergeschrieben.
Die Aktion »Stolpersteine« von Gunter Demnig ist inzwischen, nicht allein durch die große Zahl der verlegten Steine, Bestandteil unseres kollektiven Gedächtnisses. Das unermüdliche Engagement des Künstlers sowie seines Teams, wie auch die intensive Begleitung durch die Presse rütteln beständig an der Gefahr des Vergessens jener grausamen Ereignisse im sogenannten Dritten Reich. So bleibt die Hoffnung, dass die »Stolpersteine« von Gunter Deming auch weiterhin auffallen und eben doch sehr präsent bleiben.
Werkangabe:
Gunter Demnig – Stolperstein Friedrich Lewerenz, 2006, Betonwürfel mit Messingplatte, 10 × 10 × 10 cm, Hammerschmidtplatz 1 in Krefeld
Christian Krausch
Literatur:
»Die Heimat«, Krefelder Jahrbuch, Band 83, 2012, Seite 138ff