Gegen Theater-Kulinarik
Eike Gramss, geboren 1942 in Twistringen, Niedersachsen. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Bremen studierte er zunächst Schauspiel an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Sein erstes Engagement als Schauspieler hatte er in Verden (Landesbühne Niedersachsen-Mitte). Es folgten Regietätigkeiten in Wilhelmshaven, Celle und Braunschweig. Danach war er Oberspielleiter der Sparte Schauspiel in Heidelberg, Augsburg und Darmstadt. Von 1985 bis 1991 war Eike Gramss Generalintendant der Vereinigten Bühnen Krefeld/Mönchengladbach. Von 1991 bis 2007 leitete er das Stadttheater Bern.
Der Theatermann hatte sich insbesondere das zeitgenössische Musiktheater auf die Fahne geschrieben und brachte in seinen sechs Krefelder Jahren international anerkannte und nachwirkende Operninszenierungen wie Aribert Reimanns »König Lear« heraus.
Er gehörte mit Georges Delnon, Gerd Heinz und Thomas Schulte-Michels zu den jüngeren Regisseuren, die ursprünglich vom Schauspiel kamen und so neue Aspekte in die Gattung Oper einbrachten. In Kurt Horres, dem Generalintendanten der Deutschen Oper am Rhein, Düsseldorf, hatte Gramss einen ernsten und wegweisenden Erneuerer der teilweise verflachten und vermeintlich kulinarischen Opernrezeption als Verbündeten. Wichtige Dirigenten wie Yakov Kreizberg unterstützten ihn in seinen Intentionen.
Die Gramsssche Experimentierfreude im Schauspiel mag Hans Peter Cloos’ Inszenierung des Tschernobyl-Endzeitdramas »Totenfloß« im Jahre 1986 vor Augen führen: Felix Römer spielte darin das Strahlenopfer Itai nackt und sorgte für erregte Reaktionen. Das Publikum gewöhnte sich nur langsam an die neuen Sichtweisen und protestierte, indem es nicht mehr ins Theater ging. 2000 Abonnenten kündigten, und in Leserbriefen machten sich enttäuschte Theaterbesucher Luft.
Bedeutende Opernhäuser in ganz Europa hingegen luden Gramss zu Inszenierungen ein, und er wirkte als Lehrer am Salzburger Mozarteum.
Irmgard Bernrieder