Egon Eiermann (* 1904, † 1970)
700 Fenster weist das neunstöckige Lagerhaus auf, das Egon Eiermann 1954 bis 1956, in der Hochzeit der Nachkriegsmoderne also, zum Verwaltungsgebäude der Vereinigten Seidenwebereien AG (Verseidag) hinzufügte. Verglast ist auch der Übergang zum Verwaltungstrakt, dessen Fassade die markanten Raster der tragenden Stahlbetonkonstruktion bestimmen. Mit Transparenz, Leichtigkeit und offenen Raumkonzepten wollten die schlichten Bauten dieser Aufbruchsepoche nach dem Untergang der Nazi-Diktatur an jene Architektur-Moderne anknüpfen, die etwa Mies van der Rohe in Krefeld mit seinen Villen Haus Lange und Haus Esters so eindrucksvoll vorgestellt hatte. Die Verseidag-Gebäude von van der Rohe – erbaut seit 1931 – waren kurz nach ihrer Vollendung im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt und erst seit den 1970er Jahren saniert und wieder genutzt worden.
Egon Eiermann, in seinen architektonischen Prinzipien durchaus auf den Überzeugungen van der Rohes fußend, erhielt den Auftrag für jenen Neubau des Verwaltungstraktes, der 1951 bis 1953 entstand. Nach der überwältigen wollenden NS-Architektur wurde hier wieder die Macht der Architektur ins Feld geführt, die sich an Bauhaus-Ideen orientierte. Flachdächer, wie auch Eiermann sie in Krefeld einsetzte, gehören zum Architektur-Repertoire der 1950er und 1960er Jahre, ebenso wie Wandverkleidungen, die hier in Gestalt dunkelgraubrauner Keramikfliesen Brüstungen und nichttragende vertikale Gliederungen schmücken. Eiermanns freistehender Treppen- und Aufzugsturm wirkt der Massivität des Hochhaus-Kubus entgegen.
Der Bau wurde, als er in seiner ursprünglichen Funktion nicht mehr gebraucht wurde, umgenutzt und beherbergte nach seiner Umgestaltung seit 1981 die Technische Stadtverwaltung. Die Stadtbediensteten haben ihren Büros in dem ästhetisch überzeugenden Bau jedoch zwischenzeitlich den Rücken gekehrt, weil unzumutbare Baumängel auftraten. Heute steht der denkmalgeschützte Komplex am Konrad-Adenauer-Platz leer und harrt seiner grundlegenden Sanierung, die voraussichtlich 40 bis 50 Millionen Euro kosten wird und sich wegen vorgeschriebener aufwendiger europaweiter Ausschreibungen hinauszögert. Mit 60 Millionen Euro schlüge ein Neubau an anderem Ort zu Buche.
Egon Eiermann verwendete bei diversen Bauten Betonkacheln. Die Form seiner Horten-Kachel soll eine Nachbildung des Buchstaben »H« sein. Eiermann wandte die »vorgesetzte abstrakte Fassade« – eine Idee, die Horten aus den USA her kannte – 1961 für ein Horten-Kaufhaus in Stuttgart an. Nach Meinungsverschiedenheiten trennte sich die Horten AG noch im selben Jahr von dem Architekten.
Helmut Hentrich erhielt den Auftrag, das Horten-Kaufhaus in Krefeld zu entwerfen und bediente sich des Eiermannschen Fassadenschmucks, weil dieser die Rechte daran an Horten abgetreten hatte. Das Kaufhaus wurde 1971 errichtet, und seine Fassadenoptik prägte das Gesicht der Innenstadt. Bei seinem Umbau 2013, wurden 23 Kacheln so behutsam aus der Fassadenwand gelöst, dass sie unversehrt blieben. Der Verein »Impuls« versteigerte sie, und der Erlös in Höhe von 15.000 Euro kam drei Krefelder Kinderinitiativen zu Gute. Wie bekannt wurde, hätte es weit mehr Interessenten für Kacheln gegeben.
Irmgard Bernrieder
Weitere Informationen:
Siegfried Gronert – Die Horten-Fassade in Krefeld, in »Die Heimat«, Krefelder Jahrbuch, Band 84, 2013, Seite 123ff