Sprachrohr der freien Krefelder Kulturszene von 1985 bis 1995

Aktionskünstler Caco war der erste Geschäftsführer der »Dritten«. Foto: Werkhaus-Archiv
Aktionskünstler Caco war der erste Geschäftsführer der »Dritten«. Foto: Werkhaus-Archiv

Seit September 2013 steht die Stadt Krefeld unter Nothaushalt. Im Februar 2014 hat sich unter dem Eindruck der dadurch ausgelösten Spardebatte die »Interessengemeinschaft Krefelder Kulturvereine« gegründet. Mitglieder sind acht Fördervereine städtischer Kultureinrichtungen und acht freie Träger. Im November 2014 gab sich die Initiative einen neuen Namen: »Krefelder Kulturrat« (WZ Krefeld, 11. November 2014). Fast vergessen ist, dass es etwa dreißig Jahre zuvor schon einmal einen Zusammenschluss Krefelder Kultureinrichtungen und -initiativen gegeben hat. »Die Dritten« fungierten zwischen 1985 und 1995 als Dachverband, aber ausschließlich für freie Träger.

Phase des Aufbruchs

»Die Dritten« entstanden in einer Aufbruchsphase. In den 1970er und 1980er Jahren gründete sich in Krefeld ein freier Kulturträger nach dem anderen: die Gemeinschaft Krefelder Künstler, GKK (1975), das Theater am Marienplatz, TAM (1976), die Krefelder Musiker Initiative, KMI (1977), der Jazzklub Krefeld, JKK (1979), die Literaturwerkstatt (1980), die Werkstatt 80 (1980), die Kulturfabrik (1983), das Werkhaus (1984), das Krefelder Schultheater (1985).

Am 31. August 1985 vermeldet Hans Martin Frese in der Rheinischen Post die Entstehung der »Dritten« und erläutert: »Den Namen haben sie abgeleitet von der Kameralistik der Kulturverwaltung. Da finanziert das Kulturamt zum ersten seine eigenen Veranstaltungen. Da bekommen zweitens die städtischen Kulturinstitute ihre Etats. Und da erhalten drittens eben die ›Dritten‹ aus einem städtischen Topf Zuschüsse …«

Monika Vehreschild und Peter Wirtz. Foto: Werkhaus-Archiv
Monika Vehreschild und Peter Wirtz. Foto: Werkhaus-Archiv

Frese zählt zehn Gründungsmitglieder auf: »Literaturwerkstatt, Frauenzimmer, Krefelder Schultheater, Krefelder Musiker-Initiative, Kulturfabrik, KKC, Gemeinschaft Krefelder Künstler, Dritte-Welt-Laden, Krefelder Kunstverein, Werkhaus.« Der Krefelder Kunstverein, 1970 hervorgegangen aus dem 1883 gegründeten Krefelder Museumsverein, ist die einzige schon längst etablierte Vereinigung. Als Ziele der »Dritten« benennt Frese »das Gespräch untereinander und mit den Politikern, die Koordinierung von Veranstaltungsterminen …«. Außerdem soll das »Konkurrenzdenken untereinander« abgebaut und »eine Dokumentation des Krefelder Kulturlebens« erstellt werden.

Freie und Bürgerliche Kultur treffen aufeinander

Als im Sommer 1986 die Vertreter der »Dritten« und die gewählten Vertreter der bürgerlichen Kultur erstmals im Kulturausschuss aufeinandertreffen, stehen sie sich noch fremd gegenüber: Heinz-J. Ingenpahs berichtet in der Westdeutschen Zeitung (3. Juli 1986) unter der Überschrift »Hier Worthülsen, dort Belehrungen« über die Begegnung. Die »Worthülsen« lastet er den »Dritten« an, die »Belehrungen« den Kulturausschussmitgliedern.

»Die Dritten« gaben monatlich ein Terminplakat heraus, hier das vom Juni 1994. Repro: kMs
»Die Dritten« gaben monatlich ein Terminplakat heraus, hier das vom Juni 1994. Repro: kMs

»Die Dritten« aber etablieren sich schnell. Man unterhält ein Büro – zunächst im Sinnhaus, später an der Sankt-Anton-Straße -, und kann sich dank Mitfinanzierung durch das Arbeitsamt Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer leisten. Das sind zunächst Karl-Heinz Ramacher, genannt Caco, dann Annette Schmidt, schließlich Sybille Ruge. 1986 werden »Die Dritten« ein Verein. Die Vorsitzenden sind Peter Wirtz (1986 bis 1987), Gerd-Hartwig Voß (1987 bis 1990) und Monika Vehreschild (1990 bis 1995). Das Kulturamt gewährt Zuschüsse.

Der Niedergang der Dritten erfolgt ab 1993, das ist das erste Jahr, in dem Krefeld der Bezirksregierung ein Haushaltssicherungskonzept vorlegen muss. Die Zuschüsse gehen zurück, Büro und Geschäftsführung sind nicht mehr finanzierbar.

Der Erfolg der freien Einrichtungen

Im Jahr 1990 hatten allerdings das Werkhaus, die Kulturfabrik, das TAM, das Schul- und Jugendtheaterzentrum KRESCH, »Die Dritten« selbst und die Zeitschrift »Stadtkultur« erstmalig eigene Haushaltsstellen im städtischen Etat bekommen. Das war ein Novum für freie Kulturträger. Die zwischen 1989 und 1994 im Krefelder Stadtrat dominierende Mehrheitsfraktionen von SPD und Grünen mögen den freien Trägern gegenüber vielleicht ein wenig aufgeschlossener gewesen sein als der bis 1989 CDU-dominierte Rat. Jedoch hatte sich auch schon unter CDU-Ägide die Haltung der Stadt gegenüber den freien Trägern zu ändern begonnen, denn deren Wirken zeigte unübersehbar Wirkung. Die Etatposten für Werkhaus, Kulturfabrik und TAM existieren zudem heute noch, das KRESCH ist seit 1991 eine städtische Einrichtung.

»Die Dritten« haben die Anfangsphase der freien Kulturszene in Krefeld begleitet, die Erstarkung ihrer Mitglieder hat ihre Existenz – unabhängig von der Finanzierbarkeit – im Lauf der Zeit überflüssig gemacht. Der neu gegründete »Krefelder Kulturrat« sieht für sich angesichts der aktuellen Spardebatte eine andere Aufgabe, nämlich den Schutz des Erreichten: »Man wolle das kulturelle Angebot erhalten und möglichst stärken.« (WZ Krefeld, 11. November 2014)

Klaus M. Schmidt

Anmerkung der Redaktion:
Am 17. Juni 2017 verstarb Karl-Heinz Ramacher (Caco), erster Geschäftsführer der »Dritten«. Ein Bericht dazu von Klaus M. Schmidt in der Westdeutschen Zeitung vom 18. Juni 2017