In einem fränkischen Goldhelm Heimat gefunden

Museum Burg Linn, Fränkischer Spangenhelm aus dem sogenannten Fürstengrab, um 525. Mit Hilfe einer Goldmünze, eines Solidus des oströmischen Kaisers Anastasius I., konnte das Grab auf die Zeit um 525 datiert werden. Foto: Ralf Janowski
Museum Burg Linn, Fränkischer Spangenhelm aus dem sogenannten Fürstengrab, um 525. Mit Hilfe einer Goldmünze, eines Solidus des oströmischen Kaisers Anastasius I., konnte das Grab auf die Zeit um 525 datiert werden. Foto: Ralf Janowski

Richtig alt ist die Stadt Krefeld in ihrem Stadtteil Linn. Der Hauch der Geschichte in den winkeligen Gässchen rund um die rekonstruierte Burg weht geradewegs aus der römisch-fränkischen Zeit herüber. Wir reden also von gut 1900 Jahren, die ein goldener Helm überdauerte, und uns Menschen des beginnenden dritten Jahrtausends von unseren Vorfahren, ihrer Kunstfertigkeit und ihrer Vergänglichkeit kündet. Albert Steeger, seines Zeichens Heimatforscher, Lehrer und promovierter Geologe, hatte 1934 in Gellep angefangen, systematisch zu graben, und dort zwei Jahre später die ersten fränkisch-römischen Gräber entdeckt. Er gab seinen Schuldienst auf und widmete sich ganz der Einrichtung eines Heimatmuseums, aus dem das heutige Niederrheinische Landschaftsmuseum im Museumszentrum Burg Linn hervorging. Gleichzeitig setzte der Wissenschaftler seine Erkundungen nach Kriegsende fort und hatte bis zu seinem Ableben 1958 etwa 1.200 Gräber aufgedeckt.

Der große Fund war ihm indes nicht vergönnt. Der blieb Renate Pirling vorbehalten, die in Gellep 1959 mit einem Zuschuss von 10.000 Mark des Landesmuseums Bonn und tatkräftig unterstützt von Studenten und Hilfskräften ihre erste Grabung begann. Es dauerte nur wenige Tage, da wurde eine Aufsehen erregende gläserne Bacchus-Schale gefunden, erinnert sich die Kunsthistorikerin und Geschichtswissenschaftlerin für Vor- und Frühgeschichte im Gespräch mit einer Lokalzeitung anlässlich ihres 85. Geburtstages im August 2014. Dann folgte 1962 eine lange Durststrecke, und erst als die Grabungskampagne fast abgeschlossen war, wurde die letzte Ruhestätte eines Fürsten mit 40 Grabbeigaben geborgen: ein goldener byzantinischer Spangenhelm und Schwerter, Goldmünzen und Edelsteine. Renate Pirling hatte nun gleichsam das Symbol in Händen, unter dem das Museum Linn segeln konnte, zu dessen neuer Leiterin sie 1961 – gegen 36 männliche Mitbewerber – gewählt worden war.
Dieser Schatz aus dem größten erforschten Gräberfeld nördlich der Alpen in Krefeld-Gelepp wird 2015 im Louvre/Paris zu sehen sein.

Von der Motte zum Museum

Das Hochschloss zu Linn 1880, Federzeichnung aus Clemen, Kunstdenkmäler, aus: »Altes Crefeld«. Frankfurt/M.: Verlag Weidlich, 1975
Das Hochschloss zu Linn 1880, Federzeichnung aus Clemen, Kunstdenkmäler, aus: »Altes Crefeld«. Frankfurt/M.: Verlag Weidlich, 1975

In dieser Landschaft, so platt wie ein Pfannkuchen, sind die kleinsten Erhebungen rar. Wer unter unseren Vorfahren vor 800 Jahren die Wahl hatte, ließ sich auf solchen Flecken nieder. weil sie eine gewisse Sicherheit boten. Auch die Edelherren Otto und Gerlachus von Lynn bauten sich aus Tuffstein eine Burg, wo schon zweihundert Jahre zuvor der Hügel für eine Motte aufgeschüttet worden war, die ein Wassergraben und Holzpalisaden umzogen.

Die Anlage wurde im spanischen Erbfolgekrieg (1701 bis 1714) zerstört und geriet in Vergessenheit. Als Anhängsel des einstigen Back- und Brauhauses im Bereich der Vorburg – von Kurfürst Clemens August 1740 zum Jagdschlösschen ausgebaut – wurde auch die Burgruine von den napoleonischen Truppen requiriert und die gesamte Liegenschaft 1802 an Isaac de Greiff veräußert. Sie blieb im Besitz der Seidenfabrikantenfamilie, bis die Stadt Krefeld sie im Jahr 1924 erwarb, wiederaufbaute und zwei Jahre später als Landesmuseum eröffnete. Zeittypisch ausgestattete Räume des 18. und 19. Jahrhunderts, die nach prominenten Krefelder Familien benannt sind, sowie eine Sammlung historischer mechanischer Musikinstrumente bilden Schwerpunkte der ständigen Ausstellung. 1930 wurde das einstige Jagdschlösschen dem Museum zugeschlagen.

Im Laufe des zweiten Weltkriegs wuchsen in Krefeld 30 Hochbunker aus dem Boden. Einer an der Rheinbabenstraße, auf dessen Planung Museumsleiter Albert Steeger vorausschauend Einfluss nahm. Um sein lang gehegtes Vorhaben eines Heimatmuseums zu realisieren, wurden dann nach Kriegsende unter Federführung des Architekten Carl Dahmen Fenster und Treppenaufgänge in den Bunker eingebaut, und ab 1952 lud er als »Heimathaus des Niederrhein« zum Besuch. Erst in den 1980er Jahren erhielt die Burg ein Dach. 1986 bis 1998 wurde das Foyer umgebaut, und für Sonderausstellung gibt es seitdem eine moderne Halle. Im Zentrum der Präsentation steht die Schlacht bei Gelduba, (69 n. Chr.). Im archäologischen Museum sind archäologische, landeskundliche und volkskundliche Sammlungen zu sehen. Aus den über 6.000 Gräbern der Gellepper Grabungen wurde eine herausragende Glassammlung zusammengetragen.

Museum Burg Linn: Sogenannter Karolingischer Lastkahn, spätes 8. Jahrhundert, 1973 gefunden bei Baggerarbeiten am Rand des ehemaligen römischen Hafens in Gelle, Museum Burg Linn. Foto: Ralf Janowski
Museum Burg Linn: Sogenannter Karolingischer Lastkahn, spätes 8. Jahrhundert, 1973 gefunden bei Baggerarbeiten am Rand des ehemaligen römischen Hafens in Gelle, Museum Burg Linn. Foto: Ralf Janowski

Aus karolingischer Zeit (9. Jahrhundert) ist ein Rheinkahn zu uns herübergeglitten. Der sensationelle Fund stellte sich 1972 bei Baggerarbeiten im Rheinhafen ein. Nachdem er vorsorglich über drei Jahrzehnte in Polyethylenglykol gebadet wurde, bildet er heute einen besonderen Blickfang in der eigens für ihn errichteten Halle.

Im Untergeschoss des Kapellenturms liegt eine gotische Burgkapelle aus dem 14. Jahrhundert.

Maximilian Friedrich von der Weyhe erhielt Mitte des 19. Jahrhunderts von Cornelius und Philip de Greiff den Auftrag, die weitläufigen Anlagen aus kurkölnischer Zeit umzugestalten und entwarf einen englischen Landschaftsgarten. Obwohl nie vollendet, wurde der Park 2004/2005 in die Straße der Gartenkunst zwischen Rhein und Maas aufgenommen.

Weitere Informationen:
Krefelder Burgen beschreibt der Museumsleiter von Burg Linn, Dr. Christoph Reichmann, in »Burgen AufRuhr ­– Unterwegs zu 100 Burgen, Schlössern und Herrensitzen in der Ruhrregion«, 2011, 488 Seiten.

Irmgard Bernrieder

Literatur:
Renate Pirling: »Neue Ausgrabungen auf den Gräberfeldern von Krefeld-Gellep«. In: Dörfer und Städte. Ausgrabungen im Rheinland 1985/86. Bonn: Rheinland-Verlag, 1987, Seite 57 bis 60.
Renate Pirling: »Krefeld-Gellep. Die Gräberfelder«. In: Heinz-Günter Horn (Hrsg.): Die Römer in Nordrhein-Westfalen. Hamburg: Nikol, 2002, Lizenzausgabe der Auflage von 1987, ISBN 3-933203-59-7, Seite 534 bis 536.
Renate Pirling: »Krefeld -Gellep: 6000 Gräber von Römern und Franken«. Droste Verlag, Juli 2015, ISBN 978-3-7700-6003-0